Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Gabe der Amazonen

Die Gabe der Amazonen

Titel: Die Gabe der Amazonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Kiesow
Vom Netzwerk:
darüber, daß ich nicht zum Sprechen aufgefordert wurde, denn ich hätte gewiß kein Wort herausgebracht. Um überhaupt etwas zu tun, zog ich Viburns Hut vom Kopf. Xaviera nahm ihn mir aus der Hand und legte ihn auf die Truhe.
    Salima, die den Raum kurz verlassen hatte, kam mit einem Tuch, einem dicken Schwamm und einer großen, wassergefüllten Schüssel zurück. Die beiden Amazonen wechselten sich darin ab, den stattlichen Frauenkörper langsam von den Schultern bis zu den Füßen zu waschen. Dabei verharrte Dedlana in statuenhafter Reglosigkeit und schaute mich unverwandt an.
    Nachdem Salima ihre Schwester sorgfältig abgetrocknet hatte, kam sie mit ihrem Waschzeug zu mir und nickte aufmunternd mit dem Kopf.
    Ich räusperte mich. »Vielen Dank ... äh ... Ich glaube, das mache ich lieber allein.«
    Salima stellte die Schüssel auf dem Boden neben meinen Füßen ab und trat zur Tür, wo bereits Xaviera Stellung bezogen hatte.
    Ich wandte mich an Dedlana: »Gehen die beiden nicht hinaus?«
    Die Amazone war überrascht. »Wieso sollten sie?«
    »Bleiben sie denn auch später noch da ...? Während der ganzen ... äh ... Zeit, meine ich?«
    »Natürlich.«
    Dedlana schritt zum Bett, ließ sich darauf nieder und streckte die Beine aus. »Nun komm!«
    Mir war nicht wohl in meiner Haut, aber ich nahm meinen ganzen Mut zusammen. »So kann ich das nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Weil, weil ... es so eben nicht geht! Ich kann nicht – gegen die Bräuche meiner Väter verstoßen.«
    »Schluß mit dem Gerede!« fauchte eine Stimme hinter mir. Ein Säbel ratschte aus einer Scheide. »Zieh dich aus und lege dich zu ihr. Wir haben schließlich nicht den ganzen Tag Zeit!«
    Die Lage wurde ernster. »So glaube mir doch ... äh ... Xaviera, es ist unmöglich, wenn ihr mich nicht mit Dedlana alleine laßt.«
    »Pah! Wir können dich zwingen!«
    »Es gibt etwas, das man nicht einmal vom schlimmsten aller Feiglinge mit Waffengewalt erzwingen kann. Das ist ein ... ein Naturgesetz.«
    Zu meiner unendlichen Erleichterung schaltete sich Salima in unseren Wortwechsel ein. »Xaviera, es kann sein, daß er recht hat. Diese Männer sind ein seltsames Volk. Ich kenne sie besser als du. Du weißt, ich habe schon zwei Töchter. Um sie zu bekommen, habe ich viele Male bei einem Mann liegen müssen ... Komm, wir gehen hinaus.«
    »Und bitte schließt hinter euch die Türe zu!« rief ich ihnen nach. »Bitte, macht sie zu!«
     
    Wir lagen Seite an Seite im Bett und tranken Wein. Das heißt, Dedlana trank in tiefen Zügen, ich setzte nur hin und wieder das Glas an die Lippen.
    Sie lächelte. »Ich will dir etwas anvertrauen«, flüsterte sie, »etwas, das du niemandem verraten darfst, Arlone. Das mußt du mir versprechen.«
    »Ich verspreche es.«
    »Was wir eben getan haben, das hat mir schon Spaß gemacht ...«
    Ich fuhr leicht mit dem Finger über ihre schwere Brust und umrundete spielerisch die pralle Knospe. »Das habe ich gemerkt.«
    Sie zuckte zurück. »Du hast es gemerkt? Das durfte nicht sein!«
    »Du hast dich sehr gut verstellt, aber gespürt habe ich es doch. Sei unbesorgt«, log ich zu ihrer Beruhigung, »einem anderen wäre wahrscheinlich gar nichts aufgefallen. Ich habe eben sehr viel Erfahrung.« (Eine zweite Lüge.)
    »Du hast also schon bei vielen Frauen gelegen. Wie ist es mit denen? Sind die anders als wir?«
    Ich erzählte ihr eine Menge erfundener Geschichten über meine Abenteuer in allen Provinzen Aventuriens, schilderte ihr eine lange Reihe Frauen aller mir bekannten Völker und versicherte ihr, daß sie alle sehr verschieden, aber einander in gewisser Hinsicht auch wieder ähnlich gewesen seien. Das gelte auch für sie selbst, Dedlana. Sie antwortete mit Berichten über ihr Leben als Amazone. Ich erfuhr, daß ich der sechste Mann war, der bei ihr gelegen hatte. Keins dieser Treffen hatte ihr zu einer Tochter verholfen, und so mußte Dedlana immer wieder aufs neue ihr Glück versuchen, ein Umstand, über den sie, wie sie mir gestand, nicht so betrübt war, wie es ihr als Amazone wohl angestanden hätte. Wenn eine Amazone sich nämlich zu einem Manne legte, so sollte sie diese Tat als ein Opfer begreifen, als eine Erniedrigung, die sie schweren Herzens auf sich nehmen mußte, um den Stamm zu erhalten. In nächtlichen Gesprächen hatte Dedlana erfahren, daß sie nicht die einzige ihres Stammes war, die das Fortpflanzungsritual nicht als eine ausschließlich demütigende und schmerzvolle Erfahrung empfand. Aber das alles durfte

Weitere Kostenlose Bücher