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Die Gabe der Amazonen

Die Gabe der Amazonen

Titel: Die Gabe der Amazonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Kiesow
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natürlich niemand erfahren, und darum mußte ich Dedlanas Erzählungen von Zeit zu Zeit mit einem neuerlichen Schweigegelübde unterbrechen.
    Sehr bald hatte ich bemerkt, daß die Amazone auf alle Fragen nach der Lage und Beschaffenheit ihrer heimatlichen Burg mit äußerstem Mißtrauen antwortete. Also mußte ich mit größter Vorsicht zu Werke gehen. Immerhin gelang es mir nach und nach auf Umwegen – »Wie lange seid ihr eigentlich durch diesen Eisregen geritten? – Ist es weit bis zum Meer, von Kurkum aus?« –, den Standort der Burg recht genau zu erfahren: Sie mußte auf der Nordseite der Berge von Beilunk liegen, etwa fünf Tagesreisen von der Stadt entfernt.
    Ansonsten neckte mich meine muskelbewehrte Liebhaberin wegen meines – wie sie fand – zu zierlichen Körperbaus: »Haben diese anderen Frauen, mit denen du zusammen warst, eigentlich keine Angst gehabt, dir weh zu tun?« Ich berichtete ihr, daß derartige Zusammentreffen bisher immer recht glimpflich für mich verlaufen seien, machte ihr artige Komplimente über den Bau und die Kraft ihrer Gliedmaßen und versicherte ihr mehrfach, daß ihr Busen keineswegs zu groß geraten sei.
    Ich erfuhr, daß von allen Kriegsleuten Aventuriens die Amazonen der Göttin Rondra am nächsten stünden: »Niemand verehrt die Löwin so tief wie wir. Unser ganzes Leben ist vom Dienst an Rondra bestimmt. Wir weihen ihr jeden Kampf, auch die täglichen Fechtstunden, und wir kennen eine Menge Übungen, um unsere Körper schön, stark und rondragefällig zu bilden. Ja, eine jede von uns versucht, der Göttin möglichst ähnlich zu sein.« Sie unterbrach sich. »Ich weiß natürlich, daß ich der Göttin nicht wirklich ähnlich sein kann – wie vermessen wäre dieser Wunsch! –, aber wir mühen uns, in unserem Erscheinen, unserem Auftreten und in unseren Taten, menschliche Abbilder Rondras zu sein, wenn du verstehst, was ich meine ...«
    Ich nickte. »Ich versuche es. Immerhin begreife ich nun, warum ihr mit den Männern so wenig im Sinn habt: Wir sind der Göttin zu wenig ähnlich, nicht wahr?«
    Dedlana stimmte mir heftig zu und fuhr dann fort: »Ich will dich wahrhaftig nicht beleidigen, mein lieber Arlone – das mußt du mir glauben, aber eine jede von uns hat nun einmal einen schöneren Körper als du. Es ist nett, mit dir zusammen zu sein, sehr nett sogar, aber ich habe dabei nicht das Gefühl, der Göttin nahe zu sein – dazu ist mir deine Gestalt zu fremd, zu knochig und sehnig ... Und außerdem, ich habe es ja schon gesagt, besteht immer die Sorge, daß ich dich ungewollt verletzen könnte. Wenn ich aber mit einer Kurkumerin zusammen bin, gibt es nichts, das mir fremd wäre und das mich ablenken könnte. Ja, das ist ganz etwas anderes ...«
    So erfuhr ich nach und nach, wie eine Amazone die Welt und die Liebe betrachtete. Manches konnte ich verstehen, anderes blieb mir fremd. So oder so behielt ich meine Meinung für mich und versuchte statt dessen immer wieder, das Gespräch auf Dedlanas Burg zu bringen und auf die junge Königin Yppolita, aber es war dies ein Bereich, über den die Amazone offenkundig nicht gern reden wollte und der ihr geradezu Verdruß zu bereiten schien.
    Nach einer Weile verspürte Dedlana einen Drang, sich dem, das ihr keine Freude machen durfte, ein zweites Mal hinzugeben, aber wir hatten wohl zu viel über die Liebe geredet. Ich fühlte mich seltsam beklommen und fragte mich zwischendurch immer wieder, ob ich wohl alles richtig machte, und ob Dedlana wieder das Gefühl hatte, mich vor den wildesten Tiefen ihrer Leidenschaft schützen zu müssen. Die Amazone immerhin schien unser Zusammensein durchaus zu genießen: Sie stöhnte so laut, daß ich befürchten mußte, ihre lustvollen Laute würden früher oder später die Wächterinnen auf den Plan rufen. Doch die schienen ihren Posten verlassen zu haben. Niemand störte uns.
    Ich entspannte mich ein wenig, fing nochmals eine Plauderei mit Dedlana an und sah ihr dabei zu, wie sie den restlichen Wein aus der Flasche trank und schließlich in einen stillen Schlummer versank. Ich schlüpfte aus dem Bett. Zwar wußte ich nicht, wie das offizielle Ende dieses ›Fortpflanzungsrituals‹ aussehen würde, aber ich wollte es auf jeden Fall lieber in angekleidetem Zustand erleben.
    Außer der Eingangstür besaß das Zimmer eine zweite Tür, die zu einem Nebenraum führte. Aus diesem Zimmer waren plötzlich Schritte und dann leise Stimmen zu hören. Ich wollte eben in meine Stiefel schlüpfen, aber

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