Die Gabe der Amazonen
meinen Becher noch gar nicht geleert hatte. »Vom Nebentisch«, erklärte er knapp, mit einer Handbewegung in Dedlanas Richtung. Ich sah zu ihr hinüber. Sie hatte ihren Krug erhoben und nickte mir zu. Da erwiderte ich mit meinem Becher ihren Gruß, trank einen Schluck und fragte mich dabei, wie das alles enden mochte und ob ich mich wohl richtig verhielt. Wenig später brachte mir Ulfried eine Schüssel, in der auf einem Haufen roter, gebackener Bohnen vier gebratene Eier dampften.
»Vom Nebentisch, nehme ich an.«
Er nickte. Wenigstens betrachtete er mich inzwischen nicht mehr so mißbilligend wie zuvor.
Meine Gönnerin war offenbar in äußerst guter Stimmung. Sie stürzte schwungvoll den Inhalt ihres Kruges hinunter und schlug ihrer Nachbarin zur Rechten klatschend auf die nackte Schulter.
Während ich meine Bohnen löffelte (schade um das vortreffliche Gericht; ich war zu nervös, um es genießen zu können), trug der Wirt ein Tablett mit einer Weinflasche und zwei Gläsern an Dedlanas Tisch. Sie riß den Korken mit den Zähnen aus der Flasche, schenkte aber keinen Wein in die Gläser, tippte vielmehr mit dem Zeigefinger auf die Flasche, sah mich an und nickte zufrieden mit dem Kopf, so als wollte sie mir versichern, daß sich ein ausgezeichneter Wein in der Flasche befände.
Ich fragte mich, ob ich diese Geste als Einladung an den Amazonentisch auslegen durfte, da erhob sich Dedlana, und mit ihr zwei andere Kriegerinnen, die eine blutjung, die andere eine Dreißigjährige, und stieg die Treppe hinauf. Die beiden anderen Amazonen folgten ihr, die jüngere trug das Tablett mit dem Wein. Von der obersten Stufe warf mir Dedlana noch einmal ihr strahlendstes Lächeln zu, dann war sie verschwunden.
Es wurde still im Schankraum.
Ein Blick in die Runde bestätigte mir, was ich ohnehin schon spürte: Alle Amazonen und mindestens Dreiviertel der anwesenden Gäste starrten mich wortlos an. Der Wirt stand an der Hintertür und wartete.
Ich schob meinen Stuhl zurück, schaute kurz auf meinen Tisch, auf dem noch immer die zwei Bierbecher und die Bohnenschüssel standen, unterdrückte den zerstreuten Gedanken, daß ich nun wohl auch mein erstes Bier nicht zu bezahlen bräuchte, und stand auf.
Ulfried nahm mich am Fuß der Treppe in Empfang. »Geht nur hinauf, oben werdet Ihr Euch schon selbst zurechtfinden.«
Am oberen Ende der Treppe hatte sich Dedlanas Eskorte aufgestellt. Die beiden Frauen nahmen mich in die Mitte und geleiteten mich zu einer offenstehenden Zimmertür. Mitten in dem geräumigen, hellen Zimmer, das außer einem breiten Himmelbett, einem Tischchen und einer Truhe keine Möbel enthielt, stand Dedlana, die Hände in die Hüften gestützt, und sah mir entgegen.
»Ich heiße Dedlana«, sagte sie. »Wie ist dein Name?«
»Ar... lone. Ich heiße Arlone.«
»Ein schöner Name.«
»Ebenso wie deiner.«
Unterdessen hatte die junge Amazone den kleinen Tisch neben das Bett gerückt und Weinflaschen und Gläser darauf abgestellt. »Das ist Xaviera«, stellte Dedlana sie vor, »und ihr Name ist Salima«, damit deutete sie auf die andere Kriegerin, »Salima ist meine Schwester.«
»Ein hübsches Zimmer«, sagte ich. »Für ein Schlafzimmer fast zu groß.«
»Das finde ich auch. Ich könnte in einem solchen Zimmer niemals schlafen. Außerdem wäre mir das Bett viel zu weich ...« Ich stand noch immer bei der offenen Zimmertür und sah zu der großen Amazone auf, die sich ebenfalls nicht gerührt hatte. Wie sollte ich das Gespräch fortsetzen?
Jetzt knieten die beiden Amazonen links und rechts hinter Dedlana nieder, schnallten die Schienbeinpanzer ab, legten sie abseits auf den Boden und begannen, die Riemen ihrer Sandalen aufzuschnüren.
Dedlana lächelte nicht mehr. Ihre schwarzen Augen blickten ernst, fast feierlich auf mich herab.
Xaviera löste ihr den Lederrock, unter dem ein knappes, eng gewickeltes, weißes Lendentuch zum Vorschein kam.
Da schnürte sich mir die Kehle zu.
Dedlana hob die Arme über den Kopf, damit ihre Gefährtinnen die seitlichen Schließen des Brust- und Rückenpanzers besser erreichen konnten.
Mir war, als hörte ich ein leises, schmatzendes Geräusch, als der Brustpanzer fortgezogen und Dedlanas Oberkörper frei wurde. Ich versuchte, so gelassen wie möglich dreinzuschauen, mir schien es ratsam, nicht zu zeigen, wie beeindruckt ich war. Auch als Salima mit behenden Fingern das Lendentuch von Dedlanas Hüften wickelte, behielt ich meine gleichmütige Miene bei. Ich war froh
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