Die Gabe der Patricia Vanhelsing - 5 Patricia Vanhelsing-Romane (Sonderband) (German Edition)
wie ein schwarzes Leichentuch.
Nein!
Ich wollte schreien, aber meine Lippen bewegten sich nicht. Eisige Kälte ließ mich von innen heraus erzittern. Ich war in einem furchtbaren Gefängnis aus reiner Finsternis gefesselt.
So, dachte ich, muß der Tod sein!
*
Ich zitterte. Kalter Angstschweiß rann mir die Stirn herunter und mein Herz raste wie wild.
Das Erste, was ich sah, war ein großes, rundes Licht. Ich brauchte einige Augenblicke, um zu erkennen, daß es der Mond war, der durch das Fenster meines Schlafzimmers hereinschien. Du hast geträumt, Patti! Es war einer deiner Alpträume, in denen sich deine Gabe manifestiert...
Meine Hand umkrallte die Bettdecke, so als müßte ich mich erst darüber versichern, daß dies die Realität war. Du bist wirklich hier, in Tante Lizzys Villa! versuchte ich mir einzureden. Ich atmete tief durch.
Dann strich ich mir das Haar aus dem Gesicht und schlug die Decke zur Seite.
Barfuß ging ich über den glatten Holzboden bis zum Fenster. Der kalte Fußboden unter meinen Füßen schien mir zu beweisen, daß dies alles real war - und nicht jene Hölle, die ich eben erlebt hatte.
Ich drückte die Stirn gegen die Fensterscheibe. Dabei schloß ich einen Moment lang die Augen.
Ganz genau erinnerte ich mich an den Leichenwagen und an das schwarze Licht, das aus der Fahrerkabine herausgedrungen war.
"Oh, mein Gott!" flüsterte ich.
Meine eigene Stimme kam mir entsetzlich schwach und zaghaft vor. Der Ton vibrierte vor Angst. Das Grauen hielt mein Inneres noch immer in seinem unerbittlichen Würgegriff. Ich preßte Zeige-und Mittelfinger gegen die Schläfen und versuchte mich dann verzweifelt an die Straße zu erinnern, in der ich im Traum gewesen war.
Ich war überzeugt davon, daß sie existierte.
Irgendwann wirst du sie betreten! wurde es mir dann schaudernd klar. Irgendwann, in nächster Zeit... Und wenn du dort bist, wirst du es wissen, Patti!
Ich rang nach Luft.
Aber dann, dachte ich, wird es zu spät sein!
*
Am nächsten Morgen fühlte ich mich scheußlich. Den Rest der Nacht hatte ich schlecht geschlafen und mich immer wieder von einer Seite zur anderen gewälzt, ohne wirklich den Frieden des Schlafs zu finden.
Als ich in der Redaktion eintraf, wurde ich sofort in das Büro von Michael T. Swann bestellt.
Jim hatte dort bereits in einem der breiten Ledersessel platzgenommen. Ich schloß die Tür hinter mir.
"Nehmen Sie Platz", hörte ich Swann sagen, der gerade in einem Manuskript herumstrich, daß er dann nach einem wütenden Ächzen in den großen Papierkorb beförderte, der unter dem Schreibtisch stand.
Swann erhob sich.
Sein Schreibtisch war völlig überladen. Stapel von Manuskripten, Aktenordnern und Papieren schichteten sich dort zu riesigen, stets einsturzgefährdeten Gebirgen auf. Immer wenn Swann eine etwas heftigere Bewegung machte, hatte man den Eindruck, daß einer dieser Türme allein schon durch den dadurch entstehenden Luftzug einstürzen müßte.
Erstaunlicherweise geschah das nie.
Jedenfalls hatte ich es in meiner Zeit bei der NEWS noch nie erlebt und ich wußte von Kollegen, die schon weitaus länger auf diesen Augenblick warteten.
Jim spielte etwas desinteressiert an der Kamera herum, die er um den Hals trug.
Nachdem Swann ihm einen strengen Blick zugeworfen hatte, erstarrte Jim mitten in der Bewegung. Der Fotograph zuckte mit den Schultern.
Swann musterte mich.
"Ich will gleich zur Sache kommen, Patti. Es hat in der Nacht einen weiteren Todesfall gegeben... Ein Anwohner hat die Szene beobachtet."
Ein kalter Schauder ergriff mich. Die Müdigkeit, die mich gerade noch fest im Griff gehabt hatte, war wie weggeblasen.
"Wieder der Leichenwagen?" fragte ich. In Wahrheit wußte ich es - durch meine Gabe. Jedenfalls hatte ich das Gefühl, absolut sicher zu sein.
Und ich ahnte noch etwas anderes...
Etwas, das noch viel furchtbarer war!
"Ja", sagte Mr. Swann und studierte dabei eingehend mein Gesicht. Ich erwiderte seinen Blick. "Ein Anwohner hat den Wagen gesehen und der Polizei eine sehr gute Beschreibung geliefert. Sie deckt sich mit der, die es von dem Wagen am Trafalgar Square gibt. Inzwischen hat Scotland Yard auch eine Art Phantombild dieses Geisterwagens anfertigen lassen..." Swann drehte sich herum und hatte das Bild mit einem sicheren Griff von seinem Schreibtisch gefischt. Er reichte es mir.
Ja, das ist er! ging es mir schaudernd durch den Kopf. Ich hatte ihn bereits gesehen. Zweimal, vor meinem inneren Auge. Ihn jetzt auf
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