Die Gabe der Patricia Vanhelsing - 5 Patricia Vanhelsing-Romane (Sonderband) (German Edition)
weit, weit weg zu sein.
"Ist alles in Ordnung mit Ihnen?" fragte ich Tom. Er nickte. Ich sah, daß er eine Schürfung an der Hand und eine weitere an der Stirn hatte. Er würdigte diese Verletzungen keines Blickes. Er beachtete sie nicht. Tom atmete tief durch. Seine Hände ballten sich zu Fäusten und in seinen graugrünen Augen sah ich eine seltsame Unruhe, die sonst völlig untypisch für ihn war.
Sein Lächeln wirkte matt.
"Ein Verrückter!" meinte er.
"Wir möchten gerne wissen, was Sie in unserer Story zu suchen haben, Tom!" sagte Jim. Seine Stimme hatte jetzt einen schneidenden Unterton.
"Ihre Story, Jim?" erwiderte Tom nichtssagend.
"Sie waren in der Mildoon-Street und haben den Augenzeugen befragt. Und Sie waren in Carringtons Kanzlei..."
"Ist das verboten?"
"Mr. Swann wird es sicher interessieren, wenn Sie an die Konkurrenz unsere Stories verkaufen!"
"Und Sie wird es vielleicht interessieren, daß ich so etwas nie tun würde, Jim! Ich habe die Arbeitsverträge nämlich genau gelesen, die wir alle unterschrieben haben! Und ich werde mich daran halten!" Er seufzte. Und dann sah er uns an.
"Spionieren Sie beide mir jetzt nach?"
"Nein, Tom!" widersprach ich. "Aber ich habe das Gefühl, daß Sie..."
"Was?" seine Stimme klang hart.
Er sah mich an. Ich blickte in seine Augen und fragte mich, was jetzt, in diesem Augenblick wohl in ihm vorgehen mochte. Tom Hamilton war mir stets sehr sympathisch gewesen. Vom ersten Augenblick an, da ich ihn kennengelernt hatte. Aber jetzt kam er mir fremd vor - nicht wie ein guter Bekannter, mit dem man täglich dasselbe Großraumbüro teilte.
"Was wissen Sie über den Leichenwagen, Tom?"
"Was sollte ich schon darüber wissen?" erwiderte er leise. Ich hörte so etwas wie stille Verzweiflung aus seinen Worten heraus. Und Schmerz. Unendlichen seelischen Schmerz. Er vertraut dir nicht! wurde mir klar. Und so lange das der Fall ist, wird er nicht ein einziges Sterbenswörtchen sagen...
Ich wußte, daß er ein ausdauernder Schweiger war.
"Hören Sie, Patti. Ich habe für den heutigen Tag Urlaub genommen. Ich war hier, weil ich in einer bestimmten Sache einen Rechtsbeistand brauche..."
"Einen Strafverteidiger?" warf Jim erstaunt dazwischen. Tom ließ sich nicht beirren.
"...und der Rest ist reine Privatsache. Schreiben Sie Ihre Story, Patti! Es wird sicher ein Bombenerfolg - exklusiv in der NEWS."
Ich hatte das Gefühl, daß er das Wesentliche nach wie vor vor mir verbarg. Aber ich wußte auch, daß ich behutsamer vorgehen mußte, wenn ich etwas aus ihm herausbekommen wollte. Mit der Brechstange ging da gar nichts.
Und dann sah Tom mich auf eine Weise an, die mich verwirrte. Er lächelte. Und dieses Lächeln hatte eine ganz eigentümliche Wirkung auf mich. Ich empfand ein eigenartiges Prickeln.
Gib es zu, du bist fasziniert von diesem Mann! sagte eine Stimme in mir. Gesteh es dir ein, dann ist es leichter...
"Bis morgen, Patti", sagte Tom. Ich glaube, es war das erste Mal, daß er mich so nannte.
"Bis morgen", murmelte ich tonlos.
*
Polizeisirenen ertönten. Anwohner hatten offenbar bei Scotland Yard angerufen. Schließlich war die Sache mit dem Leichenwagen inzwischen durch die Medien gegangen und mancherorts konnte man schon gehässige Kommentare darüber hören, daß die Ordnungshüter es offenbar nicht schafften, diesen geheimnisvollen Wagen dingfest zu machen.
Die Einsatzwagen kamen heran. Uniformierte Beamte sprangen heraus. Tom deutete in die Richtung, in die der Leichenwagen verschwunden war.
Der ist sicher auf und davon..., ging es mir durch den Kopf. Ich sah Tom noch einen Moment lang zu, wie er mit den Polizisten sprach. Jim machte ein paar Bilder.
"Komm", sagte ich zu ihm. "Hier haben wir nichts mehr verloren."
"Du willst Tom wirklich so davonkommen lassen?"
"Ich bin kein Inspektor bei Scotland Yard", erinnerte ich ihn.
Jim faßte mich bei den Schulten und stoppte mich auf diese Weise. Ich sah ihn erstaunt an. Sein Blick war sehr ernst und besorgt.
"Patti, mit diesem Kerl stimmt irgend etwas nicht... Ich weiß nicht was, aber..."
"Laß uns zu dieser Kanzlei gehen, Jim. Vielleicht erfahren wir da mehr."
"Glaubst du das wirklich? Mich würde eher interessieren, wohin unser Freund Tom Hamilton jetzt entschwindet..."
"Jim..."
Er zuckte die Schultern. Dann deutete er auf die Kamera, die ihm an einem Lederriemen um den Hals hing. "Ich hoffe, daß uns wenigstens die Bilder weiterbringen, die von diesem Leichenwagen gemacht habe..."
*
In der
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