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Die Gärten des Mondes

Die Gärten des Mondes

Titel: Die Gärten des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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Möglicherweise wäre sie dann in der Lage, eventuell aufflackernde Lagerfeuer zu entdecken.
    Selbst als die Nacht hereinbrach, blieb es drückend heiß. Lorn wanderte um die Hügelkuppe herum, um sich die Beine zu vertreten. Sie fand Spuren früherer Ausgrabungen, Narben, die sich in den Schiefer gefressen hatten. Und ein Zeugnis aus jener längst vergangenen Zeit, als die Gadrobi-Hirten noch Steinwerkzeuge benutzt hatten: An der Südseite des Hügels war der Erdboden abgetragen und ausgehöhlt. Doch diese Stelle kündete nicht von der Suche nach einer Grabstätte, sondern hatte einst als Steinbruch gedient. Es zeigte sich, dass unter dem Schiefer Feuerstein lag - dunkelbraun, scharfkantig und mit einer weißen Kalkkruste.
    Neugierig geworden, untersuchte Lorn die Stelle weiter, kroch hinunter in die Höhlung. Sie hockte sich hin und hob ein Stück Feuerstein auf. Es war ein Teil einer Speerspitze, meisterhaft geformt.
    Der Widerhall dieser Technik zeigte sich in Tools Chalzedon-Schwert. Sie brauchte keinen weiteren Beweis für die Ausführungen des Imass. Die Menschen stammten in der Tat von ihnen ab, hatten tatsächlich das Erbe einer Welt angetreten.
    Das Imperium war ein Teil von ihnen, eine Hinterlassenschaft, die wie Blut durch menschliche Muskeln, Knochen und Gehirne floss.
    Doch so etwas konnte auch leicht als Fluch angesehen werden. Waren sie dazu bestimmt, eines Tages menschliche Versionen der T'lan Imass zu werden? War Krieg alles, was es gab? Würden sie sich ihm in unsterblicher Dienerschaft beugen, nichts anderes sein als Überbringer des Todes?
    Lorn saß in der Höhle und lehnte sich gegen den scharfkantigen, verwitterten Stein. Die Imass hatten einen Vernichtungskrieg geführt, der hunderttausende von Jahren gedauert hatte. Wer oder was waren die Jaghut gewesen? Laut Tools Aussage hatten sie das Konzept einer Regierung aufgegeben, hatten Imperien ebenso den Rücken gekehrt wie Armeen, den Zyklen von Aufstieg und Untergang, Feuer und Wiedergeburt. Sie waren Einzelgänger gewesen, hatten ihre eigene Art verachtet, hatten die Gemeinschaft und alle Ziele, die größer waren als sie selbst, aufgegeben.
    Und plötzlich begriff sie: Sie hätten nie einen Krieg begonnen.
    »Oh, Laseen«, murmelte sie, und Tränen stiegen ihr in die Augen. »Jetzt weiß ich, warum wir diesen Jaghut-Tyrannen fürchten. Weil er menschlich wurde, weil er wurde wie wir - er hat versklavt und vernichtet, und er hat es besser gemacht als wir es jemals tun könnten.« Sie barg den Kopf in den Händen. »Darum fürchten wir ihn.«
    Dann schwieg sie, ließ die Tränen die Wangen hinunterrollen, zwischen den Fingern durchsickern, von den Handgelenken tropfen. Wer weint da?, fragte sie sich. War es Lorn - oder war es Laseen? Oder war es um unsere Art? Was spielte es für eine Rolle? Solche Tränen waren schon früher geweint worden und würden wieder geweint werden - von anderen, die so waren wie sie und doch auch wieder ganz anders. Und der Wind würde sie alle trocknen.
     
    Hauptmann Paran sah seinen Begleiter an. »Habt Ihr eine Theorie über all das hier?«, fragte er.
    Toc der Jüngere kratzte sich an seiner Narbe. »Ich will verdammt sein, wenn ich es weiß, Hauptmann.« Er starrte auf den schwarzen, verbrannten, verkrusteten Raben hinab, der vor ihnen auf dem Boden lag. »Aber ich habe gezählt. Das ist schon der elfte geröstete Vogel binnen drei Stunden. Entweder sie bedecken die Rhivi-Ebene wie eine Art blutiger Teppich - oder wir sind irgendjemandem auf der Spur.«
    Paran grunzte, drückte seinem Pferd dann die Fersen in die Flanken.
    Toc folgte ihm. »Und das ist ein widerlicher Jemand«, fuhr er fort. »Diese Raben sehen aus, als wären sie von innen heraus verglüht. Zur Hölle, sogar die Fliegen machen einen Bogen um sie.«
    »Mit anderen Worten«, sagte Paran mit krächzender Stimme, »Zauberei.«
    Toc blickte argwöhnisch auf die Hügel südlich von ihnen. Sie hatten einen Holzfäller-Pfad durch den Tahlyn-Wald entdeckt, was ihre Reise um ein paar Tage verkürzt hatte. Sobald sie wieder auf die Handelsroute auf der Rhivi-Ebene gestoßen waren, hatten sie die Raben gefunden und außerdem die Spuren von zwei Pferden und einem Mann, der Mokassins trug und zu Fuß unterwegs war. Diese Spuren waren nur einige wenige Tage alt.
    »Ich kann nicht verstehen, warum die Mandata und dieser Imass sich so langsam vorwärts bewegen«, murmelte Toc, und wiederholte damit die Worte, die er seit der Morgendämmerung schon ein Dutzend

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