Die Gärten des Mondes
ihn anzusehen. Ihr Gesichtsausdruck war gequält. »Rennen? Vor mir wegrennen, Crokus?«
Er sah an ihren Augen, wie in ihrem Innern etwas zerbrach - aber was? Er verspürte den verzweifelten Wunsch, es zu erfahren, doch es war ihm unmöglich, sie geradeheraus zu fragen. Dabei wusste er nicht einmal, warum es unmöglich war. Es war einfach so. Er sah zu Boden und kickte einen Felsbrocken beiseite. »Nein«, murmelte er. »Ich drücke mich manchmal nur etwas ungeschickt aus. Leider.«
Sie riss die Augen auf. »So hat mein Name geklungen!«, keuchte sie. »Genau so! Crokus - du hast gerade meinen Namen gesagt! Leida!«
»Wie?« Er runzelte die Stirn. »Aber ich habe leider ... Äh, du meinst... ?«
»Ja!« Sie sah irgendwohin in die Ferne. »Allerdings ist das nicht immer mein Name gewesen. Glaube ich wenigstens. Nein. Das ist nicht der Name, den mein Vater mir gegeben hat.«
»Kannst du dich denn an den erinnern?«
Sie schüttelte den Kopf und strich sich durch die langen dunklen Haare.
Crokus begann auszuschreiten, und das Mädchen ging neben ihm her. Die Straße wand sich durch die niedrigen Hügel hinunter. In einer Stunde würden sie die Catlin-Brücke erreichen. Die Panik, die ihn erfüllt hatte, flaute allmählich ab, hatte sich vielleicht selbst verzehrt. Er fühlte sich entspannt, und das überraschte ihn, denn er konnte sich nicht erinnern, wann er sich das letzte Mal in Gesellschaft einer Frau so gefühlt hatte.
Einige Zeit schritten sie schweigend dahin. Vor ihnen versank die Sonne in goldener Glut, schickte ihren letzten Glanz über eine blaue und grüne Linie am Horizont hinter den Hügeln. Crokus deutete auf die glänzende Linie. »Das ist der Azur-See. Darujhistan liegt am Südufer.«
»Hast du schon über einen Namen für mich nachgedacht?«, fragte die Frau.
»Der einzige Name, der mir in den Sinn kommt«, sagte Crokus linkisch, »ist der meiner Matrone.«
Das Mädchen sah ihn an. »Der Name deiner Mutter?«
Crokus lachte. »Nein, nicht diese Art von Matrone. Ich habe die Lady der Diebe gemeint; sie heißt Apsalar. Nur ... es ist nicht gut, einen solchen Namen zu nehmen, schließlich ist sie eine Göttin. Was hältst du von Salar?«
Sie rümpfte die Nase. »Nein, mir gefällt Apsalar. Nimm Apsalar.«
»Aber ich habe doch gerade gesagt -«
»Das ist der Name, den ich will«, beharrte das Mädchen. Ihr Gesicht verfinsterte sich.
Vorsicht, dachte Crokus. Da sollte man wohl lieber nicht länger drauf rumreiten. »In Ordnung.« Er seufzte.
»Dann bist du also ein Dieb?«
»Und was ist daran so schlimm?«
Apsalar grinste. »Wenn ich an meinen neuen Namen denke -überhaupt nichts, Crokus. Wann schlagen wir unser Lager auf?«
Er erbleichte. Darüber hatte er noch gar nicht nachgedacht. »Vielleicht sollten wir einfach weitermarschieren«, sagte er vorsichtig und vermied dabei, sie anzusehen.
»Ich bin müde. Warum schlagen wir unser Lager nicht an dieser Catlin-Brücke auf?«
»Nun ja, ich habe nur eine einzige Decke. Aber ich gebe sie dir. Ich werde Wache halten.«
»Die ganze Nacht? Was gibt es denn hier draußen, dass du Wache stehen musst?«
Gereizt wirbelte Crokus zu ihr herum. »Was sollen eigentlich all diese Fragen?«, sagte er hitzig. »Es ist gefährlich hier draußen! Hast du Colls Wunde nicht gesehen? Und woher wollen wir wissen, ob die Garnison immer noch da ist?«
»Was für eine Garnison?«
Crokus fluchte leise vor sich hin. Er wandte den Blick ab. »Die Garnison auf der anderen Seite der Brücke«, sagte er. »Aber es ist eine lange Brücke, und -«
»Ach, nun komm schon, Crokus!« Apsalar lachte und stieß ihm den Ellenbogen in die Rippen. »Wir werden uns die Decke teilen. Es macht mir nichts aus, solange du deine Hände bei dir behältst.«
Crokus rieb sich stumm die Rippen und starrte sie verblüfft an.
Fluchend drehte Kruppe sich um und warf über die Schulter einen Blick auf Murillio. »Verflucht! Kannst du das Biest nicht dazu bringen, ein bisschen schneller zu laufen?«
Das Maultier machte seinem Ruf alle Ehre; es weigerte sich hartnäckig, etwas anderes zu tun, als gemütlich vor sich hin zu zuckeln. Murillio grinste hilflos. »Was soll die Eile, Kruppe? Der Junge kann auf sich selbst aufpassen.«
»Es war der ausdrückliche Befehl von Meister Baruk, dass wir auf ihn aufpassen sollten, und darum müssen wir genau das tun.«
Murillio kniff die Augen zusammen. »Das hast du schon mal gesagt«, brummte er. »Ist das irgendein Gefallen für Mammot? Fängt
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