Die galante Entführung
Miles. Er kam zu seinem Stuhl zurück, eine brennende Zigarre zwischen den Fingern, setzte sich wieder hin und streckte die langen Beine von sich, in seiner üblichen Manier, die Fesseln gekreuzt. Er betrachtete seinen benommenen Neffen mit leichtem Vergnügen und sagte: »Weißt du, ich bin nämlich ein sehr reicher Mann.«
Da Stacy nichts dergleichen bekannt war, fühlte er noch stärker als vorher, daß er sich in eine Welt der Phantasie verirrt hatte. »Das glaube ich nicht!« sagte er unbesonnen.
»Ich fürchte«, sagte Miles entschuldigend, »du hast dich irreführen lassen, weil ich keine Lust habe, in erstklassigem Stil den Flotten zu spielen oder mir eine Menge Dinge aufzuhalsen, die zu besitzen ich nicht den geringsten Wunsch habe. Du glaubst jetzt, daß ich finanziell so eingeschränkt sein muß wie du. Du solltest nie nach dem Schein urteilen, Neffe!«
Stacy erschien es ungeheuerlich, daß sein Onkel ihn nicht informiert haben sollte, daß er in glänzenden Verhältnissen war. Er rief hitzig aus: »Dann also haben Sie mich getäuscht! Absichtlich getäuscht!«
»Durchaus nicht. Du hast dich selbst getäuscht. Das soll nicht heißen, daß ich dich nicht getäuscht hätte, wenn es nützlich gewesen wäre. Aber um die Wahrheit zu gestehen, war es mir gleichgültig, ob du mich für einen Nabob oder eine Kirchenmaus hältst. Außer natürlich«, fügte er nachdenklich hinzu, »daß du mir, wenn du gewußt hättest, daß ich vor Geld strotze, unerträglich lästig geworden wärst. Verstehst du, ich verleihe nie Geld ohne Sicherheiten.«
Stacy wurde rot, sagte aber: »Falls Sie es sich tatsächlich leisten können, die Hypotheken aufzukaufen – falls Sie Danescourt nicht aus unseren Händen gleiten sehen wollen – wenn Sie bereit sind, mir zu helfen, daß ich mich rangiere –, könnten wir zu irgendeiner Vereinbarung kommen. Wir könnten – « Er brach ab, weil er den Augen seines Onkels begegnete und in ihnen einen Blick sah, ebenso unerbittlich wie der Ton in seiner Stimme. Es war kein Lächeln und keine Wärme in ihnen; noch auch konnte er in ihnen Zorn, Ungeduld, Verachtung oder irgendein sonstiges menschliches Gefühl entdecken. Sie waren kalt, leidenschaftslos und hart wie Quarz.
»Du leidest eben an zu vielen falschen Vorstellungen«, sagte Miles freundlich.
»Aber – guter Gott, Sie können mich doch nicht enteignen!«
»Was verleitet dich zu dieser Annahme?«
»Das könnten Sie nicht. Wir sind beide Calverleighs! Sie sind doch mein Onkel!«
»Du hast eine bemerkenswert falsche Vorstellung von meinem Charakter, wenn du glaubst, daß mich dieser Umstand bestimmen könnte, Danescourt zu deinem Nutzen zu halten. Ich weiß nicht, wie du auf so etwas kommst.«
Die kurze, vage Vision, wieder einmal imstande zu sein, die Mittel für seine Bedürfnisse aus seinen Gütern ziehen zu können, schwand. Miles hatte liebenswürdig, jedoch endgültig gesprochen. Stacy war sich eines blinden Grolls bewußt. Er sagte: »Was bedeutet es Ihnen! Was liegt Ihnen schon daran, ein Calverleigh of Danescourt zu sein! Oder ist es doch das?«
»O Gott, nein! Mir liegt an Danescourt, das ist alles.«
»Das habe ich doch gesagt!«
»Was du meinst und was ich meine, ist zweierlei. Ich will Danescourt haben, weil ich es liebe, und aus dem gleichen Grund will ich es nicht zur Ruine zerfallen sehen. Wenn es nicht so wäre, würde ich keinen Finger rühren, um es zu retten. Alles das Geschwätz darüber, ein Calverleigh of Danescourt zu sein, bedeutet mir keinen Pfifferling.«
»Das ist denn doch zu stark aufgetragen, Onkel! Und selbst wenn es der Wahrheit entspräche, Chef der Familie bin ich, und solange ich lebe, bleibe ich der Calverleigh of Danescourt!«
»Ja, ja«, sagte Miles beruhigend. »Du kannst dich weiter Calverleigh of Danescourt nennen, oder alles, was du sonst noch willst – ich habe nichts dagegen.«
»Wie, zum Teufel, kann ich das, wenn mir nicht einmal mehr das Haus gehört?« fragte Stacy hitzig. »Ich gebe Ihnen das Einlösungsrecht für die Hypotheken, aber ich verkaufe weder das Haus noch die Domäne!«
»Nun, sobald ich die Hypotheken für verfallen erkläre, wird dir in der Angelegenheit keine Wahl bleiben, nicht wahr? Du wirst froh sein, wenn du es mir um jede Summe verkaufen kannst, die ich nenne.«
Stacy starrte ihn an und war sehr weiß um den Mund. »Das würden Sie tun? Mich für bankrott erklären lassen – Ihren eigenen Neffen? Mich aus meinem Haus, in dem ich geboren bin,
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