Die galante Entführung
seiner Absicht, ihn zu beleidigen.
Als Stacy im York House ankam, wurde er in das Wohnzimmer Miles Calverleighs geführt, wo der Tisch bereits für das Abendessen gedeckt war. Entschlossen, zu gefallen, bemühte er sich, ein liebenswürdiger, gesprächiger und sogar ehrerbietiger Gast zu sein. Er lobte die Vortrefflichkeit der Gerichte, die ihm vorgesetzt wurden; er sagte, es komme nicht oft vor, daß ihm ein Burgunder von so seltener Qualität angeboten werde; er erzählte diejenigen Neuigkeiten von Bath, die für interessant gehalten werden konnten; er versuchte Miles über das Thema Indien auszuholen. Miles betrachtete ihn amüsiert und trug wenig zu dem Gespräch bei, übertraf ihn jedoch an Liebenswürdigkeit.
Als das Tischtuch entfernt und der Brandy auf den Tisch gestellt worden war, sagte Stacy mit seiner Miene kläglicher Freimütigkeit: »Ich muß Ihnen gestehen, Sir, daß ich verdammt froh war, Ihren Brief zu bekommen! Ich habe um eine Spur zu flott gelebt und sitze auf dem Trockenen. Nur vorübergehend, natürlich, aber ich habe in Bath keine Bank, und das hat mich in eine dumme Sackgasse gebracht. Ich möchte es nicht gern von Ihnen erbitten, wäre aber sehr dankbar, wenn Sie mir eine Kleinigkeit leihen könnten – nur um mich – nur um mich über Wasser zu halten und um über eine peinliche Zeitspanne hinwegzukommen.«
Sein Onkel entfernte in seiner gemächlichen Art den Stöpsel der Karaffe und goß Brandy in die Gläser. »Nein, ich werde dir kein Geld leihen«, sagte er.
Er sprach mit seiner gewohnten Liebenswürdigkeit, aber in seiner Stimme lag etwas, das Stacy noch nie gehört hatte. Es war fast ein unerbittlicher Ton, dachte er. Überrascht und leicht verärgert sagte er: »Guter Gott, ich will ja keine große Summe!«
Miles schüttelte den Kopf. Ohne recht zu wissen, warum, fühlte sich Stacy in einen Alarmzustand versetzt. Er zwang sich zu einem Lachen. »Wenn Sie unbedingt die Wahrheit wissen müssen, Sir, es ist verdammt Ebbe bei mir – falls ich mich nicht arrangieren kann! Ich habe keinen Sixpence mehr!«
»Das weiß ich.«
Die Gelassenheit, mit der dies geäußert wurde, entflammte Stacys Zorn. Er sprang auf und ballte und öffnete die Fäuste.
»Aber nein, wirklich? Na, dann lassen Sie mich Ihnen sagen, mein sehr verehrter Onkel: falls man mir nicht Zeit läßt, meine Moneten auf irgendeine Art wieder aufzufüllen, erhalte ich eine Vorladung zur Eröffnung des Konkursverfahrens!«
»Oh, so weit braucht es nicht zu kommen.«
»Braucht es nicht zu kommen? Sind Sie denn vollkommen verblödet? Wissen Sie denn nicht – «
Miles lachte. »Nein, nein, ich bin keineswegs verblödet!«
»Verzeihung!« sagte Stacy, seine Wut mäßigend. »Das wollte ich nicht sagen. Die Sache verhält sich – «
»Nicht nötig, sich zu entschuldigen«, sagte Miles freundlich. »Und auch nicht nötig, mir zu sagen, wie sich die Sache verhält.«
»Ich fürchte, Sir«, sagte Stacy und versuchte höflich zu sprechen, »daß Sie dank Ihrem langen Aufenthalt im Ausland zweifellos nicht mit den – den verschiedenen Bedingungen vertraut sind, die an Hypotheken hängen. Ich muß Ihnen erklären – «
»Du bist mit den Zinsen im Hintertreffen und hast keine Möglichkeit, sie nachzuzahlen. Setz dich!« Miles hob sein Glas und nahm einen kleinen Schluck Brandy. »Deshalb habe ich dich ja kommen lassen.«
»Mich kommen lassen?« unterbrach Stacy.
»Habe ich gesagt, kommen lassen? Da muß ich mich versprochen haben. Um die Ehre deiner Gesellschaft gebeten.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, warum«, murmelte Stacy trotzig. »Nur wegen einer Geschäftsangelegenheit. Ich will zwei Dinge von dir. Das eine ist ein Einlösungsrecht, das andere ist Danescourt – worunter das Haus und der kleine Teil unbelasteten Bodens, auf dem es steht, zu verstehen ist. Dafür bin ich bereit, die Zinsen der bestehenden Hypotheken und dir außerdem 15.000 Pfund zu bezahlen.«
Stacy war von diesen ruhig gesprochenen Worten derart verblüfft, daß es ihm im Kopf wirbelte. Er zweifelte fast, daß er seinen Onkel richtig verstanden hatte, denn was dieser gesagt hatte, war völlig phantastisch. Benommen und ungläubig sah er zu, wie Miles zum Kamin hinüberschlenderte und aus einem Krug auf dem Sims einen Fidibus nahm. Stacy fand seine Stimme wieder, aber nur um zu stammeln: »A-aber -Einlösungsrecht – das bedeutet doch – verdammt, soll das ein Witz sein?«
»Nein, nein, bei Geschäften mache ich nie Witze«, antwortete
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