Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan
Böse besiegt wurde.« Bahir streckte eine Faust empor, die an der Wand hinter ihm einen mächtigen Schatten warf, der im Licht der Kerzen tanzte. »Jekutiel war es, die Aktariels finsteren Sendboten Middoth vernichtete.«
Ein Schauer lief über Zadoks Rückgrat, ein Schauer aus Erinnerungen, alten Geschichten und dem Verlangen, dieses Gefühl der Gemeinschaft möge für immer andauern. Er warf verstohlene Blicke auf die Menschen um ihn herum. Ihre Gesichter erstrahlten vor Vertrauen und Verehrung, ganz besonders das von Ezarin.
»Er, der die höheren Sphären befriedet, möge auch uns und allen Gamanten den Frieden geben. Amayne.«
Bei der Erwähnung Aktariels ging Mikaels Atem schneller. Zadok klopfte ihm sanft auf den Rücken, beugte sich vor und fragte: »Was stimmt denn nicht?«
»Aktariel ist ein böser Engel, der vom Himmel herabgestürzt ist.«
»Ja, sehr böse. Er kommt, um uns zu täuschen und zu vernichten.«
Mikael kniete sich auf die Bank, um näher an Zadoks Gesicht heranzukommen. »Und er wird einen anderen Sendboten schicken, nicht wahr, Großvater? So einen wie Middoth. Er wird kommen und …«
»Nein.« Zadok runzelte die Stirn. Woher mochte das Kind nur diese Vorstellung haben? Er würde die Religionslehrer mitsamt ihren Lehrplänen einmal überprüfen müssen. »Nein, mach dir keine Sorgen. Middoth war der letzte, Mikael. Die alten Schriften sagen, daß nun der wahre Mashiah kommen wird, um uns aus der Gewalt der Galaktischen Magistraten zu erretten.«
»Aber vielleicht kommt Aktariel selbst, Großvater. Und was ist dann …«
»Schhh.« Zadok strich dem Jungen über das schwarze Haar, doch seine Worte hatten ihm einen schmerzhaften Stich versetzt. »Denk nicht an solche Dinge, Mikael. Gott würde uns nicht derart strafen.«
»Und wenn es eine letzte Prüfung ist?«
»Wir haben schon zu viele Prüfungen erlebt, mein Junge. Sicher weiß Epagael inzwischen um unsere Glaubenstreue.«
Mikael senkte den Blick. Auf seinem Gesicht zeichnete sich Verwirrung ab. »Vielleicht aber auch nicht.«
»Glaub’ mir. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Denk daran, ich habe mit Epagael gesprochen, und er hat nie etwas davon erwähnt …«
»Letzte Nacht hatte ich einen Traum, Großvater. Darin stieß Aktariel herab und …«
Vom Höhleneingang her erklang das Geräusch sich nähernder Schritte, und ein Mann betrat den Tempel. Die goldenen Verzierungen auf seiner langen Robe reflektierten das Licht und schimmerten, als wäre das Gewand mit feurigen Fäden duchsetzt. Das weiße Haar des Mannes und der kurzgeschnittene Bart betonten seine hervorstechende Nase. Die Augen des Fremden suchten den Tempel peinlich genau ab und wanderten langsam über die vom Kerzenschein erleuchteten, vollbesetzten Stuhlreihen. Als der Mann sich etwas drehte, erkannte Zadok ihn.
»Rathanial?« rief er leise und winkte ihm mit seiner vertrockneten Hand zu.
»Zadok! Gott sei Dank.« Rathanial setzte sich auf den Platz neben Ezarin und bildete mit seinen Händen das heilige Dreieck des Grußes. Zadok erwiderte die Geste.
»Alter Freund, es tut gut, dich bei dieser Feier zu sehen. Es ist so lange her …«
»Zadok, wir müssen sofort miteinander reden.« Furcht zeigte sich auf seinem altersfleckigen Gesicht, und in seinen schwarzen Augen stand ein hartes Glitzern. »Ein neuer Mashiah hat sich auf Horeb erhoben, und wir …«
»Noch ein falscher Prophet?« spottete Ezarin. »Jeder von ihnen fängt einen Krieg an. Es wäre besser, man würde sie alle aufhängen.« Sie stand auf schlüpfte an Rathanial vorbei. »Entschuldige bitte, aber ich habe gleich meinen Auftritt.«
Zadok lächelte warm, als er ihr nachsah. »Kommen wir zurück zum Thema, Rathanial. Darf ich annehmen, daß die Dinge auf Horeb nicht besonders gut stehen?«
Rathanial seufzte schwer. »Überhaupt nicht gut. Der neue Mashiah gewinnt an Popularität. Der Planet wird praktisch von innen her belagert. Wir …«
»Belagert?«
»Ja, es gibt eine Rebellenpartei und …«
Rev Bahirs Stimme wurde plötzlich lauter, als er zum drittenmal intonierte: »Ich werde den Ewigen preisen, denn er hat mir Liebe und Güte erwiesen!«
Zadok hob eine Hand, um Rathanials Rede zu unterbrechen, und blickte zur Tür. Diese Zeilen waren Ezarins Stichwort, um mit dem Psalm der Danksagung zu beginnen. Doch wo blieb sie?
Bahir kratzte sich den Bart und beugte sich ein wenig zur Seite, um den Höhleneingang besser sehen zu können. Auch die Gläubigen schauten jetzt in diese
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