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Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan

Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan

Titel: Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen M. O'Neal
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Richtung. Leises Raunen erfüllte plötzlich den Tempel.
    »Entschuldige mich«, sagte Zadok und trat auf den Gang hinaus.
    »Zadok«, sagte Rathanial nachdrücklich, »wir müssen jetzt reden. Diese Angelegenheit kann nicht warten.«
    »Nur einen Augenblick«, erwiderte Zadok entschuldigend und rief nach Mikaels Mutter. »Sarah?« Seine jüngste Tochter stand in der Nähe der Stirnwand des Tempels. Sie wandte sich um, und Zadok stimmte den Lobgesang an: »Preiset den Ewigen an jedem Ort der Galaxis. Dienet dem Ewigen voller Freude …« Er bedeutete seiner Tochter, den Psalm fortzusetzen. Die füllige junge Frau mit dem runden Gesicht und den schwarzen Haaren übernahm sofort Ezarins Part: »Nähert euch ihm mit frohem Gesange. Wisset, daß der Ewige Gott ist …«
    Zadok verließ den Tempel. Oberhalb der Felsspitzen stieg der dritte Mond hinter einer Nebelbank empor und warf milchiges Licht über die hohen Tannen. »Ezarin?« rief er leise. »Ezarin?«
    Als er keine Antwort erhielt, schritt er weiter in die Nacht hinaus. Der Wind trug bitteren Frost heran, und jeder Luftzug schnitt wie ein Messer durch seine dünne Kleidung. Wohin konnte sie nur gegangen sein? Es sah ihr gar nicht ähnlich, einen Teil der feierlichen Zeremonie zu verpassen. Selbst wenn sie krank war, raffte sie sich immerhin lange genug auf, um ihren Part zu sprechen. Sie war ein gutes Mädchen und ihrer Mutter ähnlicher als Sarah mit ihren schrägen braunen Augen und dem verschlagenen Lächeln.
    Zadok blieb stehen. Ein dunkler Fleck zeichnete sich auf dem schmutzigen Weg ab und glomm schwarz im Mondlicht. Für einen Moment schien es, als hätte sich der Mond hinter einer Wolke versteckt und die Welt in völliger Schwärze zurückgelassen. Das frische grüne Gras sah krank aus, und die Frühlingstriebe der Bäume wirkten wie die letzten welken Überbleibsel des Herbstes.
    Zadok kniete nieder und berührte den Fleck. Als er seine Finger zurückzog, waren sie warm und rot.
    »Ezarin!«
    Er schlug die Hände vor Augen, als die Bilder eines anderen Sighet-Festes ihn überwältigten – jenes Festes, das mit der Beerdigung seiner Mutter zusammengefallen war. Wieder stand er am Rand des Grabes und umklammerte die Hand seines Vaters. Die Tränen des alten Mannes rannen in einem stillen, stetigen Strom zu seinem Kinn herab und tropften von dort kühl auf Zadoks Arm. »Gesegnet seiest du, o Ewiger«, schluchzte er immer wieder.
    Zadoks Bruder Yosef drängte sich näher an ihn heran und flüsterte: »Tante Selah sagt, daß Großmutter genauso gestorben ist.« Doch Zadok war zu jung gewesen, um das zu verstehen. Obwohl er ebenfalls zu der Suchmannschaft gehört hatte, war er zu weit entfernt gewesen, um etwas zu sehen, als man seine Mutter fand. Und niemand hatte ihm erzählt, wie sie gestorben war. Man hatte ihm nur gesagt, daß sie tot war und er sein bestes Gewand herauslegen und fasten sollte. Drei qualvolle Tage hatte er damit verbracht, die Klagegesänge zu lernen. Es fiel ihm schwer, die Worte zu sprechen: »Gepriesen und geheiligt sei sein Name in aller Welt.«
    Ein Nachtvogel krächzte irgendwo im Wald. Zadok schreckte aus seinen Gedanken hoch, schaute sich um und bemerkte ein graues Kaninchen, das unter einen Busch hoppelte. Sein Fell schimmerte in dem geisterhaften Licht. Für einen Moment blieb Zadok ganz still stehen; dann erzitterten die Muskeln seines Kinns, und er lief den Weg zu den Wohnhöhlen hinab.
    »Ezarin? Ezarin, antworte mir!«

 
KAPITEL

3
     
     
    … wenn eine Witwe über die ganze Welt herrscht und Gold und Silber in die Salzlake schleudert und die Bronze und das Eisen der vergänglichen Menschen in die See wirft, dann werden alle Elemente des Universums miteinander vermengt. Wenn Gott, der in den Lüften herrscht, den Himmel wie eine Schriftrolle aufrollt … wird ein unendlicher Katarakt wütenden Feuers herabströmen und die Erde und die Meere verbrennen und das Gewölbe des Himmels zerschmelzen …
    Die Sibyllinischen Orakel: Buch III
    Datiert auf -163 Alter Erd-Standard
     
    Müde lehnte Rachel den Kopf gegen die steinerne Wand und beobachtete gleichgültig einen Vogel, der auf einer Windströmung hoch über ihr dahinschwebte. Neben ihren aufgescheuerten Knien und verborgen von der blauen, schweißdurchtränkten Robe lag Sybil in tiefem Schlaf. Rachel bewegte ihren bleischweren Arm, um sanft die unter dem Stoff hervorlugenden Zehen des kleinen Mädchens zu streicheln. Die Backofentemperaturen des Nachmittags waren durch

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