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Die Gang: Roman (German Edition)

Die Gang: Roman (German Edition)

Titel: Die Gang: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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Junge – er war etwa in Jeremys Alter oder ein bisschen älter – sah finster drein und wischte über seinen Hut. »Jetzt hab ich seine beschissenen Läuse am Hut«, murmelte er.
    »Tut mir leid«, sagte Jeremy.
    »So muss man mit diesem Abschaum umgehen.« Er drückte den Hut auf seinen Kopf und fuhr mit den Händen an der Krempe entlang, um sie zurechtzubiegen. Dann lächelte er und streckte die Hand aus. »Ich heiße Gibson. George Gibson. Meine Freunde nennen mich Cowboy.«
    Jeremy schüttelte ihm die Hand. Der Junge drückte sie fest. »Ich bin Jeremy. Jeremy Wayne.«
    »He, wie John Wayne, der Duke?«
    »Ja. Danke, dass du den Schleimer verscheucht hast.«
    »Kein Problem, Duke. Kann ich dich Duke nennen? Jeremy hört sich ’n bisschen weibisch an, aber das weißt du ja wohl, oder? Genau wie George. Ich hasse ›George‹. Bist du mit jemandem hier?«
    Jeremy zögerte. Der Junge machte einen freundlichen Eindruck, aber vielleicht hatte er etwas vor. Vielleicht war er sogar mit dem Penner im Bund, und das hier war ein Trick, ihn um sein Geld zu erleichtern. Oder vielleicht will er mich irgendwohin schleppen und überfallen. Oder vielleicht ist er schwul.
    »He, wenn du mit deiner Tussi hier bist, sag’s ruhig. Ist sie auf dem Topf oder wo?«
    »Ich bin allein hier«, gab Jeremy zu.
    Cowboy gab ihm einen Klaps auf den Arm. »Verdammt, ich auch. Ich führ dich mal rum. Du siehst aus wie einer, der ’nen Freund gebrauchen kann.«
    »Ich weiß nicht. Ich …«
    »Gehn wir. In den Sattel und ab!«
    Cowboy drehte sich um und ging los. Seine Stiefelabsätze klapperten auf dem Holz der Promenade. Jeremy lief neben ihm her. Warum nicht, dachte er. Der Typ scheint in Ordnung zu sein. Wenn er wirklich nur Freundschaft schließen will …
    »Woher kommst du, Duke?«
    »Äh, ich wohne jetzt hier. Wir sind gerade hergezogen.«
    »Ja? Wohin?«
    »Hierher nach Boleta Bay.«
    »Ja? Wo denn?«
    Will er meine Adresse wissen? »Ich weiß nicht genau«, log Jeremy. »Ein paar Blocks von hier. Oben auf einem Hügel.«
    »Ich wohne in der Lilac Lane. Ziemlich weibischer Name für eine Straße, was? Lilac.«
    Jeremy kannte die Straße. Sie lag einen Block nördlich von Poppy. Der Junge war ein Nachbar. »Wir wohnen an der Poppy Lane.«
    »Na so was.« Er gab Jeremy noch einen Klaps auf den Arm. »In welcher Klasse wirst du sein?«
    »Junior.«
    »He, ich auch!«
    »Die Welt ist klein«, sagte Jeremy. Er befürchtete, dass sich das ziemlich lahm anhörte. Wenn er sich nicht zusammennahm, würde Cowboy ihn für einen Langweiler halten. Das war ihm oft genug passiert. Hier hatte er eine Chance, von vorn anzufangen, den alten Jeremy hinter sich zu lassen und endlich als richtiger Kerl akzeptiert zu werden. »Mist«, sagte er, »ich hatte gehofft, dass ich jemanden finde, der mir meine Hausaufgaben macht.«
    »Hah! Du kannst mich mal … Hast du schon ’ne Waffeltüte probiert?«
    Jeremy schüttelte den Kopf.
    »Los, ich geb eine aus.«
    Am Eisstand zog Cowboy ein Bündel Banknoten aus seiner Tasche, bestellte zwei »Superwaffeln« und bezahlte sie. Dreieinhalb Dollar für jede.
    »Mensch! Danke!«, sagte Jeremy, als Cowboy ihm eine der Waffeltüten reichte – eine knusprige süße Waffel, mindestens doppelt so groß wie üblich, voll mit Eis, Schokoladensoße und obendrauf Schlagsahne, Schokoladenstreusel, Erdnusssplitter und eine Maraschinokirsche.
    »Mit ’nem leeren Bauch kann man nix anfangen, Duke.«
    »Wohin soll’s gehen?«
    »Zum Wasserbecken.«
    Sie gingen die Promenade entlang und aßen ihre Superwaffeln. Obwohl Jeremy einige zwielichtige Gestalten, Schlägertypen und Penner sah, fühlte er sich nicht länger bedroht. Jetzt war ja Cowboy bei ihm. Wenn ihm jemand komisch kam, würde er nicht allein damit fertigwerden müssen.
    Cowboy ging mit großen Schritten weiter, rief Bekannten, die er in der Menge sah, ein paarmal einen Gruß zu, auch einigen Leuten, die in den Spielbuden arbeiteten. Er schien eine Menge Leute zu kennen – auch Mädchen. Hässliche Mädchen, hübsche und ein paar wirklich schöne. Und es sah aus, als könnten sie ihn alle gut leiden. Das ist toll, dachte Jeremy. Wenn ich sein Freund werden kann, lerne ich ein paar von ihnen kennen.
    Er hatte nie einen Kumpel wie Cowboy gehabt. Sein bester Freund in Bakersfield, Ernie, war ein magerer, schüchterner Junge, dessen Brille meist mit Klebeband repariert war, weil er einen Ball abbekommen hatte (den jeder andere hätte fangen können) oder eine Faust

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