Die Gang: Roman (German Edition)
dich mitkommen lässt?«
»Sicher. Wenn sie dich erst mal gesehen hat … Sie wird dich mögen. Zum Teufel, sie wird überglücklich sein. Aber was ist mit deiner Mutter?«
»Kein Problem. Ich erfinde irgendwas, erzähle ihr, eine Freundin aus der Schule würde eine Party geben. Sie wird es glauben. Sie glaubt immer, was ich ihr erzähle. Sie ist so stur, dass es mich wahnsinnig macht, aber sie vertraut mir. Ich kann fast mit allem durchkommen.« Shiner schwieg. Jeremy legte sich neben sie. Er faltete die Hände unter dem Kopf. Sein Ellbogen streifte ihren Ellbogen. Sie nahm ihn nicht weg, und er ließ seinen Ellbogen dort, wo er den ihren berührte, und schloss die Augen.
Die Hitze lastete auf ihm. Er spürte die milde Seebrise auf der Haut.
Alles läuft großartig, dachte er.
Sie würde mich küssen, wenn niemand in der Nähe wäre. Heute Abend werden wir allein in ihrem Auto sein. Was wohl bei Tanya zu Hause geschehen würde? Darüber nachzudenken erregte und beunruhigte ihn.
Aber er war noch viel aufgeregter und nervöser bei dem Gedanken, allein mit Shiner im Auto zu sein. Vielleicht würde sie ihn ja nach dem Treffen nicht direkt nach Hause fahren. Vielleicht würde sie an einem dunklen, einsamen Ort parken. Vielleicht würden sie mehr tun als nur küssen.
Robin konnte das Gefühl von Kälte und Verlassenheit nicht abschütteln, das sie überwältigt hatte, nachdem Nate gegangen war. Sie spielte auf ihrem Banjo und sang, aber innerlich quälte sie sich.
Es war wie Heimweh.
Es wird vorbeigehen, versuchte sie sich zu trösten. Sie hatte eine schwierige Zeit voll wirklichen Anfällen von Heimweh hinter sich, nachdem sie weggelaufen war, vor zwei Jahren. Es hatte nicht gleich angefangen. Am Anfang war sie nur wütend auf Paul gewesen, ärgerlich, dass ihre Mutter etwas mit ihm angefangen hatte, und ängstlich, weil sie befürchtete, eingefangen und wieder zurückgebracht zu werden, und wegen der Gefahren auf der Straße. Das Heimweh schlug erst nach einer Woche zu. Und es zerschmetterte sie fast.
Sie war kurz nach Einbruch der Dunkelheit durch eine kleine Stadt gegangen. Es war Oktober. Ein kalter Wind fegte die Blätter über die Straße. Sie konnte den Holzrauch aus den Kaminen riechen. Die Häuser auf beiden Seiten der Straße mit ihren hell erleuchteten Fenstern sahen warm und gemütlich aus.
Dann brach es über sie herein. Die plötzliche Erkenntnis, dass sie draußen, allein und ungeliebt war, ohne Hoffnung, jemals wieder nach Hause zurückzukehren, wo es einmal so gemütlich und sicher und voller Glück gewesen war.
Sie brach innerlich zusammen, aber sie ging immer weiter, dem Wind entgegen, der ihr ins Gesicht blies und die Tränen von ihren Wangen fegte.
Sie hatte nicht aufhören können zu weinen, bis sie sich spät in der Nacht entschloss, nach Hause zurückzukehren. Sie würde schon einen Weg finden, mit Paul zurechtzukommen. Vielleicht sogar zur Polizei gehen. Am nächsten Morgen begann sie, zurückzutrampen. Ein Mann namens George nahm sie mit. Er war etwa vierzig Jahre alt, fröhlich und gesprächig. Eine Zeit lang ging es gut. Dann hielt er den Wagen an einer verlassenen Stelle an, wo es nichts als Maisfelder ringsumher gab. Er drehte sich zu Robin um. Sie sah den Ausdruck in seinen Augen und wusste, was passieren würde.
Es war derselbe verschleierte, fiebrige Blick, den sie so oft in Pauls Augen gesehen hatte.
»Versuch es besser nicht«, sagte sie.
»Ach nein, sei doch nicht so! Wo ich so nett war, dich mitzunehmen.«
Sie wollte aus dem Auto springen. Aber der Rucksack und das Banjo waren auf dem Rücksitz. Sie konnte nicht aus Georges Wagen fliehen, ohne den Verlust ihres Gepäcks zu riskieren.
Ihr Messer war in der Seitentasche des Rucksacks. Sie löste den Sicherheitsgurt und schaute ihn an. »Lass mich einfach meine Sachen holen und gehen, ja?«
Er knöpfte den obersten Knopf ihres Hemdes auf.
»Das tust du besser nicht. Ich habe Syphilis.«
Er lächelte und öffnete weitere Knöpfe. »Stell dir vor! Ich auch.« Er riss ihr Hemd mit beiden Händen auf. Ihre Faust krachte gegen seine Nase. Blut schoss aus seinen Nasenlöchern. Sie warf sich auf ihn, umklammerte seinen Hals und schlug seinen Kopf gegen die Frontscheibe. Seine Augen traten hervor. Sie schüttelte ihn weiter und schmetterte seinen Kopf gegen die Scheibe, bis er zusammensackte. Dann zog sie den Zündschlüssel heraus. Sie nahm den Schlüssel in die Hand, ließ George hinter dem Steuer sitzen, stieg schnell aus
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