Die Gateway-Trilogie: Mit einem Vorwort von Jack Vance (German Edition)
oder verblutete nicht auf einem Operationstisch, während Chirurgen und Krankenschwestern sich hilflos am Boden krümmten. Alles, was ich hinter mir hatte, waren eine Stunde, einundfünfzig Minuten und vierundvierzig Sekunden qualvoller Fieberphantasien, und selbst diese waren verwässert, weil ich sie mit elf Milliarden anderer Menschen geteilt hatte.
Selbstverständlich versuchten alle elf Milliarden gleichzeitig, sämtliche anderen Menschen zu erreichen, sodass nirgends ein Durchkommen war. Harriet nahm im Holotank Gestalt an, um mir mitzuteilen, dass mindestens fünfundzwanzig Anfragen für mich gekommen seien – mein Wissenschaftsprogramm, mein Rechtsprogramm, drei oder vier Finanzprogramme von meinen Beteiligungen und eine ganze Reihe wirklicher, lebendiger Menschen. Keiner davon sei Essie, sagte sie bedauernd, als ich danach fragte; die Leitungen nach Tucson seien derzeit alle unterbrochen, und ich könne auch von hier aus nicht anrufen. Keine der Maschinen war von der Wirrnis befallen worden. Das kam nie vor. Bei ihnen gab es Defekte nur dann, wenn eine lebendige Person sich in die Leitung eingeschaltet hatte, zur Wartung oder Reparatur. Aber da das der Statistik nach auf der ganzen Welt in der Minute millionenmal vorkam und zahllose Maschinen betroffen waren, durfte man sich nicht darüber wundern, dass manches einige Zeit brauchte, um wieder voll zu funktionieren.
Das Geschäftliche hatte Vorrang; ich musste die Scherben einsammeln. Ich gab Harriet eine Rangliste der Dringlichkeit, und sie begann mich mit Berichten zu füttern. Kurzmeldung von den Nahrungsgruben: kein wesentlicher Schaden. Grundbesitz: in kleinerem Maß Brände und Überschwemmungen; nichts, was ins Gewicht fiel. In den Fischfabriken hatte jemand eine Schleuse offen stehen lassen, und sechshundert Millionen Setzlinge schwammen ins offene Meer hinaus, um in diesem zu verschwinden; aber dort war ich ohnehin nur Kleinaktionär. Alles in allem hatte ich das Fieber blendend überstanden, schien mir, oder jedenfalls viel besser als andere. Das Fieber hatte den indischen Subkontinent erfasst, nachdem er bereits am Tag zuvor einen der schlimmsten Orkane erlebt hatte, wie er in der Bucht von Bengalen seit fünfzig Jahren nicht mehr vorgekommen war. Die Zahl der Todesopfer war riesengroß. Zwei Stunden lang waren alle Rettungsaktionen einfach zum Stillstand gekommen. Zig, vielleicht hunderte von Millionen Menschen waren einfach unfähig gewesen, sich auf höher gelegenes Land zu schleppen, und das südliche Bangladesh war übersät mit Leichen. Dazu kamen unter anderem eine Raffinerieexplosion in Kalifornien, ein Zugunglück in Wales und ein paar bis jetzt noch nicht registrierte Katastrophen – die Computer konnten noch keine Schätzung über die Zahlen der Opfer liefern, aber die Medienmeldungen sprachen bereits vom schlimmsten aller bisherigen Ereignisse.
Bis ich alle ganz dringenden Meldungen durchgegangen war, funktionierten die Lifte wieder. Ich war kein Gefangener mehr. Als ich zum Fenster hinausschaute, konnte ich sehen, dass die Straßen von Washington ganz normal aussahen. Meine Reise nach Tucson dagegen stieß auf größte Schwierigkeiten. Da die Hälfte der in der Luft befindlichen Düsenflugzeuge zwei Stunden mit Autopiloten gesteuert worden waren, was den Treibstoffvorrat aller Maschinen stark verringert hatte, waren sie gelandet, wo sie konnten, und die Fluglinien hatten ihr Gerät überall dort, wo es nicht hingehörte. Die Flugpläne waren völlig durcheinander geraten. Harriet buchte für mich das Beste, was sie finden konnte, aber der erste mögliche Flug ging erst am Mittag des folgenden Tages. Das war nur ein Ärgernis, kein Problem. Ich konnte Essie nicht einmal anrufen, weil die Leitungen immer noch besetzt waren. Wenn ich wirklich durchkommen wollte, besaß ich Dringlichkeitsvorrechte – die Reichen haben ihre Vergünstigungen. Sie haben aber auch ihre Freuden, und ich entschied, dass es Spaß machen würde, Essie zu überraschen, indem ich unangemeldet bei ihr auftauchte.
Inzwischen blieb mir Zeit, die es zu vertreiben galt.
Und die ganze Zeit über konnte mein Wissenschaftsprogramm kaum noch an sich halten, mir alles Mögliche mitzuteilen. Ich hatte das aufgeschoben, bis mir Zeit für eine ausführliche Unterhaltung blieb, und der Moment war jetzt gekommen.
»Harriet«, sagte ich, »jetzt her mit ihm.« Und Albert Einstein nahm im Holotank Gestalt an. Er beugte sich vor, während es in seinem Gesicht vor Erregung
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