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Die Geächteten

Die Geächteten

Titel: Die Geächteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hillary Jordan
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darin jedes Mal verstecken müssen, wenn sie eine Grenze passierten. Natürlich würden die Kisten eine gründliche Durchsuchung der Grenzpolizei nicht überstehen, doch Paul und Simone schienen nicht allzu besorgt zu sein. Das Kirchenlogo besitze eine immunisierende Wirkung, hatte Paul erklärt, und alles, was die Polizei bislang getan habe, habe darin bestanden, einen flüchtigen Blick in den Lieferwagen zu werfen.
    Durch die Windschutzscheibe sah Hannah ein Straßenschild vorbeifliegen: Shreveport, 272 Kilometer. Sie registrierte erst nachträglich, dass sie Richtung Osten fuhren, dieselbe Straße, die sie mit Aidan an diesem goldenen Oktobertag gefahren war, in ihrer anderen Haut, in ihrem anderen Leben. Wie sicher hatte sie sich trotz der Risiken, die sie eingingen, da noch gefühlt, wie glücklich und sorgenfrei – alles, aber auch alles eine Illusion.
    Kayla nickte ein und rutschte etwas ungelenk gegen die Wand des Lieferwagens. Hannah fasste ihre Freundin bei den Schultern und legte den Kopf in ihren Schoß. Ganz automatisch begann sie Kaylas Haar zu streicheln, so wie sie und Becca es oft gegenseitig getan hatten, wenn eine von ihnen traurig war. Doch manchmal hatten sie es auch nur aus purem Vergnügen getan, weil es angenehm gewesen war. Die Sehnsucht nach ihrer Schwester schmerzte wie ein Krampfanfall und vermischte sich mit Hilflosigkeit. Sie hatte Cole gesagt, dass sie auf Becca aufpassen würde, doch das erwies sich jetzt als leeres Versprechen. In ihrer Situation, so wurde Hannah schmerzlich bewusst, war dies völlig unmöglich. Beccas Schicksal und ihr eigenes strebten gerade auseinander, sie würden getrennt sein, würden unwiderruflich nicht mehr zusammenkommen. Das konnte Becca allerdings noch nicht wissen. Für einen Moment beneidete Hannah ihre Schwester darum, doch dann ließ dieses Gefühl nach. Wenn die bittere Wahrheit auch furchtbar war, wie viel schlimmer musste es sein, diejenige zu sein, die weiter hoffte und grübelte und jeden Tag ohne ein Wort von der anderen ein Stück mehr verzweifelte?
    Hannahs Bein war vom Gewicht ihrer Freundin schon ganz taub geworden, doch sie blieb still sitzen. Es war ihr nicht möglich, auf Beccas Sicherheit zu achten, aber sie war wild entschlossen, alles zu tun, was in ihrer Macht stand, um Kayla zu beschützen. Genau wie Paul, dachte Hannah, der sie mit wehmütigem Blick angeschaut hatte. Sie fragte sich, ob die beiden miteinander geschlafen hatten. Kayla hatte sich ihr nicht anvertraut, aber seitdem sie in das sichere Haus gekommen waren, hatten sie ja auch praktisch keine Zeit mehr für sich allein gehabt. Kayla und Paul jedoch hätten die Möglichkeit gehabt, sich einige Stunden im Verlauf des Tages davonzustehlen, wenn Susan und Anthony unterwegs waren und Hannah geschlafen hatte. Geküsst und von den Armen eines Mannes umarmt zu werden, den warmen Druck seines Körpers zu spüren und seine Stimme zu hören, die Koseworte in ihr Ohr flüsterte – würde sie das jemals wieder erleben? Als Hannah auf Kaylas schlafendes Gesicht herabblickte, hoffte sie, dass ihre Freundin das mit Paul erlebt hatte. Nach allem, was sie verloren hatte und womit sie konfrontiert worden war, verdiente sie etwas Süße in ihrem Leben. Diesem Gedanken folgte sofort ein weiterer: Und wenn sie das kann, dann kann ich das vielleicht auch .
    Sie waren bereits einige Stunden unterwegs, als Simone die Autobahn verließ und an eine Tankstelle fuhr. Der Richtungswechsel weckte Kayla auf. »Wo sind wir?«, fragte sie, während sie sich aufsetzte und den Schlaf aus den Augen rieb.
    »Fast an der Grenze zu Louisiana«, erwiderte Paul.
    »Ich muss zur Toilette«, sagte Hannah.
    »Ich auch«, sagte Kayla. »Und ich werde langsam hungrig.«
    Paul klopfte auf eine Kühlbox, die zwischen den Sitzen auf dem Boden stand. »Da sind Sandwiches und Chips drin. Bedient euch!«
    Kayla griff nach dem Deckel, doch Simone stoppte sie. »Nicht jetzt. Wir essen, wenn wir über die Grenze sind.« Sie forderte Paul auf, den Lieferwagen aufzuladen, und stieg dann selbst aus, um Kaffee und den Toilettenschlüssel zu holen.
    »Mein Gott, sie ist ein hartes Stück Arbeit«, sagte Kayla in dem Augenblick, als Simone und Paul hinter ihnen die Türen geschlossen hatten. »Ich wette mein Geld darauf, dass sie diesen Miesepeter-Gesichtsausdruck vor dem Spiegel übt, es sei denn, dieser zerbricht, wenn sie davorsteht. Sie sieht aus wie Fridget …«
    Hannah unterbrach sie, wusste sie doch, dass sie nicht viel Zeit

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