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Die Geächteten

Die Geächteten

Titel: Die Geächteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hillary Jordan
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anderer Evangelikalen, Schwule seien Lakaien des Satans. Stattdessen betrachtete er sie als fehlgeleitete, geschädigte Seelen, die Gebete und Barmherzigkeit verdienten.
    Hannah stellte sich Simone vor: ihren grimmigen Blick, ihren hochmütigen, verkniffenen Mund. Da war gar nichts an ihr, das Mitleid hervorrief. Und Hannah zweifelte daran, dass Simone es schätzen würde, wenn man für sie betete.
    »Wir brauchen wahrscheinlich gar keinen Verräter«, sagte Anthony. »Die Straße ist gefährlich genug. Diesen Frauen kann alles Mögliche zustoßen.«
    »Dreien in sieben Monaten?«, fragte Simone. »Und nur den jungen und hübschen? Ich finde, das stinkt zum Himmel.«
    »Sehe ich genauso«, sagte Susan.
    »Ben« , sagte Simone. »Es gibt nur eine Möglichkeit, die Wahrheit herauszufinden. Wir benutzen das Mädchen als Köder. Wir nehmen sie mit nach Columbus, und wenn sie von dort aufbricht, verfolgen wir sie, um zu sehen, was passiert.«
    »Warte eine Minute«, warf Paul ein. »Du sagtest, das Mädchen? Was ist mit Kayla?« Es herrschte angespanntes Schweigen. »Nein«, sagte er mit lauterer Stimme. »Wir haben ihr die Straße angeboten, und sie hat akzeptiert. Wir haben uns verpflichtet, ihr zu helfen.«
    »Wir haben zu viel Zeit verloren«, sagte Simone. »Jetzt ist sie eine Belastung, die wir nicht tragen können.«
    »Du kennst den Kodex genauso gut wie wir, Paul.« Susans Ton brachte zwar Bedauern zum Ausdruck, doch er klang bestimmt. »Es gibt kein Leben, das so wichtig wäre wie unsere Mission.«
    »Und kein Leben wird geopfert werden, es sei denn, es ist der letzte Ausweg«, sagte Paul. »Und an diesem Punkt sind wir noch lange nicht.«
    Hannah spürte, wie sich die Haare auf ihren Armen aufstellten. Sie hatte Simone verdächtigt, skrupellos genug zu sein, um zu töten, doch Paul zuhören zu müssen, wie er so sachlich von »opfern« sprach, war schaurig.
    »Das ist deine Meinung«, sagte Simone.
    »Das ist eine Tatsache. Kayla hat nichts getan, um uns zu gefährden.«
    »Bisher.«
    »Paul, auch wenn du die Lage aberwitzig findest«, sagte Anthony. »Das Mädchen ist in einer Woche fällig, um Himmels willen.«
    »In zehn Tagen. Und was meinst du mit, auch wenn ich …?«
    »Er meint, dass du zu weich bist«, sagte Simone. Sie sprach wie eine ältere Schwester, verärgert, aber nicht unfreundlich. »Du bringst dich immer zu sehr ein.«
    »Es ist persönlich, erinnerst du dich? Darum geht es uns doch. Ich dachte, gerade du würdest das verstehen.«
    »Paul!«, rief Susan, und zur selben Zeit sagte Simone: »Was meinst du damit?« Er antwortete nicht.
    »Klär uns auf«, forderte Simone.
    »Ich weiß, was dir passiert ist«, sagte er. »Ich weiß es schon seit langer Zeit.«
    »Du weißt gar nichts«, sagte Simone ungeduldig.
    »Ich weiß, dass du bereit bist zu sterben, um andere Frauen davor zu bewahren, dasselbe durchzumachen.«
    Meinte er eine Abtreibung? Wahrscheinlich, worauf sollte Paul sich sonst beziehen? Zudem würde es so vieles erklären. Mit Simone etwas derart Intimes gemeinsam zu haben, ließ Hannah mit einem seltsamen, unruhigen Gefühl zurück. Außer dass sie selbst nur die Abtreibung »durchmachen« musste, nichts war schiefgelaufen, erst danach. Hatte der Arzt bei Simones Eingriff gepfuscht oder sie auf andere Weise verletzt? Hatte sie eine Gefängnisstrafe abgesessen? Auch wenn Abtreibung in Kanada wieder legal war, galt sie während der Geißel und einige Jahre danach als Kapitalverbrechen.
    »Ja, das bin ich«, sagte Simone. »Aber ich bin nicht bereit, meines und euer Leben für ein Mädchen zu riskieren, das ein Mitglied seiner eigenen Familie getötet hat.«
    »Ich ja.«
    »Du glaubst, sie mag dich, oder?« Simones Stimme klang spöttisch. »Sie benutzt dich. Und wenn du nicht mit deinem anderen Kopf denken würdest, wüsstest du es.«
    »Was ich sehe«, sagte Paul, »ist eine junge Frau in der Klemme. Jemanden, dem wir in die Augen gesehen und versprochen haben, ihm zu helfen.«
    »Es tut mir leid, Paul«, sagte Susan. »Ich muss Simone zustimmen. Wir können nicht riskieren, dass bei ihr auf der Straße die Zerstörung beginnt.«
    Das war es dann . Hannah lehnte sich an die Wand, und in ihrem Kopf drehte sich alles. Sie und Kayla mussten irgendwie fliehen. Ein Auto klauen, Dallas verlassen. Weg von den Novembristen, der Polizei, den Faustkämpfern. Und wenn sie das geschafft hätten, was dann? Wohin sollten sie gehen? Wer würde sie aufnehmen?
    »Auf der anderen Seite«, sagte

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