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Die Geächteten

Die Geächteten

Titel: Die Geächteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hillary Jordan
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entgegnete er und zog unbeholfen seine Hand zurück. »Eigentlich sollte ich diese Woche in Mexiko sein, doch meine Reise wurde im letzten Moment verschoben.«
    »Der Herr muss unseren Vater schon sehr lieben, dass er Sie hiergelassen hat«, sagte Becca. Wie das Gesicht ihrer Mutter und, so nahm Hannah an, wie ihr eigenes zeigte Beccas eine tiefe Verehrung.
    Aidan zog bei so viel Lobpreisung wie ein Teenager den Kopf ein, und Hannah stellte mit einigem Erstaunen fest, dass er nicht nur aufrichtig von ihrer Bewunderung berührt war, sondern sich ihrer auch unwürdig fühlte. Das Schmetterlingsgefühl kam wieder, stärker als zuvor. Wie viele Männer in einer derartigen Position waren so bescheiden?
    »Ja«, stimmte Hannah zu. »Das muss er.«
    Aidans Port läutete, und er blickte sichtlich erleichtert darauf. »Ich gehe jetzt besser«, sagte er. »Alyssa und ich werden für John und für alle von euch beten.«
    Alyssa und ich . Die Worte klangen durch Hannahs Kopf, sie erinnerten sie wieder daran, dass Aidan Dale der Mann einer anderen Frau war, einer Frau, die einen Namen hatte, Alyssa, einer Frau, die sich um ihn sorgte wie Hannahs Mutter sich um ihren Vater sorgte. Indem sie ihn begehrte, schadete Hannah Aidans Frau, als würde sie mit ihm schlafen. Aufgewühlt und voller Scham schüttelte sie seine Hand, dankte ihm und verabschiedete sich. Als sie an diesem Abend nach Hause kam, betete sie sehr lange, bat Gott um Vergebung, weil sie Seine Gebote gebrochen hatte, und flehte Ihn an, sie von der Versuchung fernzuhalten.
    Stattdessen schickte er Aidan Dale am nächsten Tag wieder ins Krankenhaus, und auch den Tag darauf, und fast jeden Tag in der Woche. Hannahs Mutter und Schwester waren angesichts dieser ständigen Zuwendung entzückt. So ein bedeutender Mann, mit einer so großen Herde, und nun war er da und betete täglich mit ihnen! Hannahs eigene Gefühle waren ein Gewirr aus Begeisterung und Verzweiflung. Sie wusste, Gott stellte sie auf die Probe und sie würde den Test nicht bestehen, doch wie sollte es anders sein bei dieser grausamen Manipulation? Aidan (den sie trotz seiner Proteste gewissenhaft Pastor Dale nannte) brachte ihnen Licht und Hoffnung. Er schaffte es, Becca zum Lächeln zu bewegen, und nahm aus den Augen ihrer Mutter ein wenig Angst. Und als ihr Vater keine Schmerzmittel mehr nehmen musste und so klar im Kopf war, dass er sich daran erinnern konnte, was mit ihm passiert war, sprach Aidan ruhig auf ihn ein – einmal fast zwei Stunden. Aidan gab ihm die Kraft, Schrecken, Wut und Hilflosigkeit, die sie in seinem Gesicht sah, wenn er sich unbeobachtet fühlte, abzuwehren.
    An dem Morgen, als der Verband abgenommen wurde, kam Aidan früher und wartete mit ihnen auf die Ankunft des Chirurgen. Er sprach ein Gebet, doch Hannah war zu ängstlich, um dasselbe zu tun. Sie stand am Bett und streichelte die Hand ihres Vaters, sie ahnte, wie groß seine Verzweiflung in diesem Augenblick sein musste. Er war immer stolz darauf gewesen, die Art von Mann zu sein, auf die man sich verlassen konnte, ein Mann, den andere um Rat und Unterstützung baten. Abhängigkeit von anderen würde seinen Geist vertrocknen lassen, und der Gedanke daran, dass ihr Vater versehrt oder gebrochen sei, war fast genauso unerträglich wie der Gedanke, ihn zu verlieren.
    Endlich kam der Chirurg, und sie alle versammelten sich am Bett, während er den Verband aufschnitt. Die drei Frauen standen auf der einen, der Arzt auf der anderen Seite, Aidan stand am Fußende. Hannahs Vater öffnete die Augen. Zuerst schienen sie unkoordiniert, doch dann ließen sie sich auf ihrer Mutter nieder.
    »Du siehst wunderschön aus«, sagte er schließlich, »aber du bist furchtbar dürr geworden.« Alle ließen ihren Gefühlen freien Lauf, lachten unter Tränen, küssten und umarmten ihn.
    »Dem Herrn sei Dank«, sagte Aidan. Die Heiserkeit in seiner Stimme bewegte Hannah dazu, einen Blick auf ihn zu werfen. Sein Ausdruck war ernst, und er schaute nicht ihren Vater an, sondern sie.
    Dann senkte er den Blick, lächelte und sagte: »Meine Glückwünsche, John.« Zurück blieb eine Hannah, die sich fragte, ob sie sich das nur eingebildet hatte, was sie in seinen Augen gesehen hatte; eine aufsteigende Welle aus Lust und Bedürfnis und Zugehörigkeitsgefühl.

 
    SIE HIELT ES NEUN TAGE AUS, bevor sie fragte. Sie hasste sich dafür, es tun zu müssen, aber sie würde entweder fragen oder eine dieser Frauen werden, die nur noch schrien.
    »Ich hätte gern eine

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