Die Gebeine von Avalon

Titel: Die Gebeine von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman

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geistigen Tiefschlaf zu wecken und so schleuderte ich ihm das magische Wort entgegen:
    «Das ist eine
katholische
Intrige!»
    Er lachte.
    «Seht Ihr hier irgendwelche Katholiken?»
    «Ja!»
    Er sah mich an, seine Neugier endlich geweckt, aber da war es bereits zu spät.

    †

    Man vergisst, wie schnell es gehen kann.
    Das Licht der Fackeln war hinter einem Dunstschwaden verblasst, und plötzlich stand sie schon mit auf dem Rücken gefesselten Händen auf der Leiter, und die Stimme des Pastors schwebte über dem Galgen.
    «Möge der Tod dieser Sünderin die Stadt für immer von allem Schmutz, aller Bosheit und Götzenanbetung reinigen.»
    «Dieses Arschloch regt mich fast genauso auf wie Ihr», sagte Carew.
    Bewegung auf der Leiter, ein hörbarer Klaps.
    «Ich schwöre bei Gott, wenn du mich noch einmal da anfasst, werde ich deine Seele im Tod verfluchen.»
    Gelächter und Husten im Nebel, und jemand fragte sie, ob sie noch ein paar letzte Worte sprechen wollte, bevor das Urteil vollstreckt wurde.
    «Etwa zu
Euch
?», hörte ich sie voller Verachtung sagen.
    Atemlos warf sich der jämmerliche Büchermensch nach vorn, als die kurze Leiter umgestoßen wurde, und die beiseitetretenden Männer offenbarten ihm den Körper von Nel Borrow, der vor einem fleischfarbenen Himmel langsam hin und her baumelte.
    Der Pastor mit seiner Bibel hatte ihr den Rücken zugewandt und sang aus voller Kehle:
    «Die Hexe ist zum Teufel gegangen. Möge das Licht Gottes auf uns herniederscheinen!»

LVI Braune Decke
    M änner hatten einen Halbkreis um uns gebildet, die beiden Fackelträger standen links und rechts neben dem Galgen, und im schwachen Licht erkannte ich Fyche, seinen Sohn Stephen und Sir Peter Carew. Die drei redeten miteinander, dann erhob Carew die Stimme.
    «Lasst ihn doch, zum Teufel, wenn er ihr den Hals unbedingt langziehen will wie einem Huhn, bitte. Am Ende krepiert sie doch.»
    Ich hielt sie noch immer fest, hatte die Arme um ihre vom Kleid bedeckten Beine geschlungen, meine Wange an ihrem Schenkel. Ich fühlte das Seil, mit dem sie gefesselt war. Griff nach ihrer Hand, und sie war kalt. Betete, wie ich noch nie gebetet hatte, flehte zu Gott und allen Engeln, in meinem Kopf brüllte es so laut, als würden Glocken in den Turm einschlagen, aus dem längst die Glocken verschwunden waren.
    «Oder besser noch, hilf ihm, Simmons», sagte Carew.
    Der Mann im Lederwams schob den Pastor zur Seite, der sich noch immer krümmte und nach Luft rang, weil ich ihm einen Schlag gegen die Kehle verpasst hatte …
    … und blieb dann stehen.
    «Mach schon, Mann!», brüllte Carew. «Bevor ihm noch sein schwächlicher Rücken bricht.»
    Ich schaute auf und bemerkte, was der Mann im Lederwams gesehen hatte.
    «Engel!», schrie er.
    Doch was ich sah, war ein weißgoldener Vogel, der dort aufstieg, wo das Feuer der beiden Fackeln im Nebel aufflammte.
    Dann gab der Strang nach und sie fiel in meine Arme, ihr Körper prallte gegen meinen Kopf und meine Schultern. Schlaff, mit ihrem vollen Gewicht, aber ich ließ sie nicht los, würde niemals loslassen.
    Der Nebel hüllte uns in seine braune Decke.

    †

    «Sag es!»,
knurrte Dudley. «Sag, was du getan hast!»
    Stephen Fyche wurde mit dem Rücken an einen der Galgenpfosten gedrängt. Er taumelte, fluchte. Mir kam es vor, als wäre er betrunken. Sein Vater drehte sich um und ging fort.
    «Du hast ihm einen Nagel unter den Fingernagel hämmern lassen!», rief Dudley. «Und als er da immer noch nichts verraten hat, hast du ihm den Bauch langsam aufgeschlitzt.»
    Die Pikiere hielten ihre Waffen fest umklammert, denn sie wussten nicht, wer da mit gezücktem Schwert aus dem Nebel aufgetaucht war und den Strang des Henkers mit einem Hieb durchtrennt hatte.
    «Nein …» Stephen schaute in die Runde, vielleicht suchte er nach seinem Vater. Er trug eine Mönchskutte, und sein Bart schien extra für die Hinrichtung frisch gestutzt worden zu sein. «Das ist eine unerhörte Lüge! Wer ist dieser verdammte Kerl?»

    Ich blieb stumm unter dem noch immer hin und her schwingenden Strang im Dreck sitzen, Nel in den Armen, lauschte ihrem stoßartigen Atem. Himmlische Musik.
    Fyche kam zurück. Jemand musste ihm gesagt haben, wer Dudley war, wahrscheinlich Carew.
    «Mylord, bevor Ihr meinen Sohn beschuldigt –»
    «Wer hat ihm die Gedärme herausgeschnitten?», fragte Dudley Stephen Fyche. «Wer hat ihm mit einem chirurgischen Messer das Herz herausgeholt?»
    «Die verdammte
Hexe
!»
    «Nicht