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Die Gebeine von Avalon

Die Gebeine von Avalon

Titel: Die Gebeine von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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sind», sagte Nostradamus. «Ich hingegen habe schon genug Menschen sterben sehen.»
    «Hügel?»
    «Matthew natürlich nicht», sagte er. «Selbst in England wird man von einem Vater wohl kaum erwarten, dass er mit ansieht, wie seine Tochter aufgehängt wird.»

LV Befleckt
    I ch habe schon einige Male gesehen, wie jemand erhängt wurde – wir alle haben das. Tod durch den Strang, das Beil und das Feuer, zumeist unverdient. Am meisten getroffen hatte es mich, als Barthlet Green auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Nur ein Mann, mit dem ich die Gefängniszelle geteilt hatte. Ein sanfter, gutmütiger Mensch.
    Der dann brennen musste.
    Ein schlimmerer Tod als am Galgen. Das sagt man zumindest.
    Aber wer wollte das wissen? Wer ist je aus den Flammen oder der Schlinge zurückgekehrt?
     
    †
     
    Ein unheimliches Leuchten im Westen. Bernsteinfarbene und weiße Streifen, ein Morgenhimmel bei Nacht.
    Halb Teil dieser kranken Welt, halb in der Hölle quälte sich der Stubengelehrte den konischen Hügel hinauf, die Beine gefühllos, die Hände von Dornen zerstochen. Die vom Lesen geschwächten Augen schmerzten im Licht, das den Hügel einhüllte, als hätte der König der Feen wirklich das Tor zu seinem goldenen Schloss geöffnet.
    Als ich, fast auf dem Gipfel angekommen, erschöpft auf die Knie sank, hörte ich ihre Stimme, warm und leise.
    Nur keine Sorge, Dr. John. Ihr seid nicht der Erste, der hier oben sein Gleichgewicht verliert
.
    Die Tränen blendeten mich.
    Das wird doch sicherlich diskreter vonstattengehen,
hatte Robert Dudley vermutet, und so war es jetzt tatsächlich gekommen. Die Hinrichtung war vom Morgengrauen auf die Abenddämmerung vorgezogen worden. Eine gezielte Verwirrung, um jeglichem Aufschrei in der Stadt entgegenzuwirken. Man würde ihren Leichnam einfach in der Dunkelheit hängen lassen, bis nichts mehr an ihre weibliche Schönheit erinnerte und der Gipfel des Tor wieder von Neuem befleckt war.
    Immer und immer wieder war er befleckt worden. Ein Hügel, den man für seine Andersartigkeit abstrafte. Ich kämpfte mich hinauf in einen Bodennebel, der tief aus seinem Inneren zu kommen schien, als wollte der Tor sich vor den Menschen und ihren Taten verstecken.
    «Möge der Herr diesem Sündenpfuhl gnädig sein! Möge das Licht des Herrn über dieser verseuchten Stadt leuchten!»
    Der dicke Pastor von St. Benignus mit seinem ungewaschenen Talar und seinem protestantischen Gebetbuch.
    Ich schleppte mich auf den Gipfel, meine beiden Hände bluteten, als sich gedämpfte männliche Stimmen zu einem
Amen
erhoben.
    Zitternd stand ich da.
    Auch auf dem Gipfel hatte sich Bodennebel gebildet. Zwei Fackeln brannten hier auf Pfählen, die die Turmruine von St. Michael unheimlich leuchten ließen, als wäre dort wieder Leben eingekehrt. Männer mit Stäben und Piken wohnten der Szene bei, aber nicht mehr als ein Dutzend. Einer von ihnen war der Kerl mit dem Lederwams, der sich so gut mit dem Hängen auskannte und wusste, warum es meist langweilig zuging, wenn es eine Frau traf.
    Den vielleicht zehn Fuß hohen Galgen hatte man vor dem Turm errichtet, unten war er von Nebel verhüllt, aber der obere Teil seines Gerüsts zeichnete sich deutlich vor dem rosafarbenen Himmel ab, der wirkte wie ein Gemisch aus Blut und Milch.
    «Verdammt, Dee, werde ich Euch denn niemals los?»
    «Sir Peter, Ihr müsst mir zuhören.»
    Das zumindest hatte ich sagen wollen, aber der Rauch der Fackeln nahm mir den Atem.
    «Beschissener Nebel», sagte Carew. «Hätte drei Fackeln hochbringen lassen, wenn ich das geahnt hätte.»
    «Ich muss Euch über etwas unterrichten –»
    «Hatte nie viel fürs Lernen übrig,
Doktor.
Jedenfalls nicht auf Eure Art.» Er drehte sich zu mir um, und seine Zähne blitzten im Licht der Fackeln auf. «Falls Ihr irgendeinen Zauber kennt, damit das arme Weib schnell hinüberkommt, wird sie Euch bestimmt dankbar sein. Echte Schönheit, hatte ich gar nicht gewusst.»
    Er deutete mit dem Kopf zum Galgen hinüber. Davor hatten sich nun ein paar Männer versammelt. Der Pastor von St. Benignus predigte gerade, dass man Hexen nicht am Leben lassen dürfe, als sie herausgebracht wurde. Ihr blaues Kleid war jetzt beschmiert und fleckig, aber ihr Haar wirkte frisch gekämmt und fiel ihr über den Rücken.
    «Haltet sie auf … bitte … im Namen des Herrn!»
    Ich glaube, sie sah mich kurz an, als hätte sie die Stimme erkannt, schaute dann aber wieder weg. Mir fiel nur eine Möglichkeit ein, Carew aus seinem

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