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Die Gebeine von Avalon

Die Gebeine von Avalon

Titel: Die Gebeine von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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willen den Tod zu riskieren. Verzeiht, aber ob man die Krankheit der Wollkämmer damit vergleichen kann …»
    «In der Stadt stirbt gerade an ein Mann daran. Vielleicht ist er schon tot.»
    «Das ist der Lauf der Welt. Besonders in Gegenden wie dieser.»
    «Wisst Ihr, wie sich die Seuche verbreitet?»
    «Durch das Fleisch und die Häute der Tiere, die daran gestorben sind.»
    «Und oft noch lange, nachdem diese bereits verendet sind?»
    «Man sollte sie besser sehr tief vergraben.»
    «Richtig.»
    «Woher Euer Interesse, Dr. Dee?»
    Ich holte tief Luft und wiederholte dann die dritte Zeile in seiner Prophezeiung über Elisabeth.
    «Jusqu’elle beisera les os du roi des Isles Britanniques.»
    Ich lehnte mich gegen die Wand. Was ich gesagt hatte, schien ihn nicht zu berühren.
    «Bedeutet das, dass sie die Gebeine wirklich im
wörtlichen
Sinne küssen soll?»
    «Das weiß ich nicht.»
    «Die Prophezeiung stammt von Euch.»
    «Nein, mein Freund, sie stammt von Gott.»
    «Gott enthüllt seinen Willen als Vierzeiler?»
    Eine der Altarkerzen ging aus. Ein plötzlicher Luftzug.
    «Seht Ihr?», fragte Nostradamus. «Seht Ihr, wie Er auf Eure Unverfrorenheit antwortet?»
    Er nahm die verloschene Kerze und zündete sie an der nächsten wieder an.
    «Nun gut …» Er legte seine Hände auf die Knie und machte den Rücken gerade. «Ich kann bloß wiederholen, was ich Euch bereits sagte. Ich bin Arzt, und als solcher heile ich Krankheiten nur.»
    «Dennoch habt Ihr begriffen, worauf ich hinauswollte.»
    «Nein, Dr. Dee, ich höre Eure Worte vielmehr mit Verwunderung.»
    «Und ich die Euren mit wachsendem Zorn, weil jemand versucht hat, mich in eine Intrige zu verwickeln, die den Tod meiner Königin zum Ziel hat.»
    «Ich kann Euch nicht mehr folgen, Dr. Dee.»
    Ich beugte mich vor.
    «Die Gebeine, die geküsst werden sollen … liegen auf dem Fell eines an der Wollkämmer-Seuche erkrankten Schafes. Der Mann, den man dafür bezahlt hat, die Knochen auf das Fell zu legen, ist bereits das erste Opfer. Eine kalt eingefädelte Intrige, um die Königin zu ermorden.»
    Es war das erste Mal, dass ich es laut ausgesprochen hatte: eine Reise ins Licht, arrangiert als schwierige und gefährliche Mission, die sogar einen Abstieg in die Unterwelt mit einschloss – schmutzige Graberde und große Not.
    Aber warum hatten sie mir das magische Wissen um den Tierkreis zugänglich gemacht … das Geheimnis preisgegeben? Vielleicht hatte Nostradamus die Antwort selbst geliefert, als er fragte,
was damit geschehen soll.
Niemand wusste es. Es war ein Wunder, aber auch ein großes Rätsel – womöglich würde es das für immer bleiben.
    Und als solches hatte man es wohl für entbehrlich gehalten, um einem größeren Zweck zu dienen: dem Tod von Königin Elisabeth, kaum mehr als ein Jahr nach ihrer Krönung.
    Hätte die Königin die Knochen tatsächlich geküsst?
    Oh, und ob!
    Ohne jeden Zweifel.
    Während die Zuschauer den Atem anhielten, hätte sie mit stolzem und anmutigem Lächeln ihr edles Haupt über den kürzlich eingeschlagenen Schädel von Big Jamey Hawkes gebeugt.
     
    †
     
    «Glaubt Ihr wirklich, ich sei hergereist, um die Ermordung der Königin zu überwachen?», fragte Michel de Nostredame.
    «Glaubt Ihr nicht, dass das bei Euren Herren für große Freude sorgen würde? Hält man Königin Elisabeth in Frankreich nicht für ein Kind des Satans? In wie vielen Prophezeiungen habt Ihr Elisabeth schon als die böseste aller Frauen beschrieben?
Unglückselige Abstammung.
»
    «Das kann ich nicht mehr zählen. Aber das sind Gottes Worte. Ich verbringe viele Stunden schweigend und allein mit meinen Vigilien, öffne mein Herz dem göttlichen Geist, und irgendwann … trete ich in den
Nebel der Offenbarung
ein.»
    Ich holte mir eine Kerze vom Altar, hielt sie Nostradamus dicht vors Gesicht und starrte ihm in die Augen mit den schweren Lidern. Er war vollkommen ruhig, so als könnte er jeden Moment wieder in seinen prophetischen Nebel eintreten. Ich konnte meine Müdigkeit nicht mehr spüren, mein Körper fühlte sich schwerelos an, meine Hand zitterte, und die Kerze erlosch.
    «Wo ist er?», fragte ich. «Wo ist Borrow?»
    «Matthew? Hier nicht.»
    Ich schaute mich um. Vorhin war ich noch dankbar gewesen, weil Meadwell so ruhig dalag. Jetzt erst begriff ich, dass es ein Zeichen dafür war, dass etwas nicht stimmte, und die Erkenntnis traf mich wie ein Schlag.
    «Wieso seid Ihr hier ganz allein?»
    «Weil sie alle oben auf dem Hügel

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