Die Gebrüder Kip
335.)
Dieses Wort wirkte schon wie eine moralische Aufrichtung auf die beiden Unglücklichen, die im Bagno ja nur noch »Nummer soundsoviel« waren.
»Meine Herren Kip, ich bin nach Port-Arthur gekommen, um Sie über Dinge zu unterrichten, die Sie interessieren müssen, und ein wenig auch über das, was ich bisher getan habe.«
Die beiden Holländer glaubten, diese Erklärung sollte sich auf die Vorgänge in Kerawara beziehen. Sie täuschten sich. Es war nicht der Beweis ihrer Unschuld, den Hawkins hierherbrachte, denn er fuhr sogleich fort:
»Es betrifft Ihr Handelshaus in Groningen. Ich bemühte mich, mit mehreren Kaufleuten Ihrer Vaterstadt in Schriftwechsel zu treten, und ich muß Ihnen sagen, daß dort die öffentliche Meinung sehr zu Ihren Gunsten zu sprechen scheint.
– Wir sind auch unschuldig! rief Karl Kip, der dem Drange seines Herzens nicht zu widerstehen vermochte.
– Ja, nahm Hawkins, der Mühe hatte, seine Zurückhaltung zu bewahren, wieder das Wort, Sie waren aber leider nicht in der Lage, Ihre Geschäftsangelegenheiten zu ordnen, die schon durch Ihre Abwesenheit Schaden erlitten. Die unumgängliche Liquidation mußte schnell durchgeführt werden, und da habe ich mir erlaubt, für Ihre Interessen einzutreten.
– Herr Hawkins, antwortete Pieter Kip, o, wir danken Ihnen von ganzem Herzen! Das ist eine weitere Wohltat, die Sie so vielen anderen hinzufügen.
– Ich wünschte nun, Ihnen mitzuteilen, fuhr der Reeder fort, daß diese Liquidation unter weit günstigeren Bedingungen verlaufen ist, als man vorher wohl erwarten konnte. Die Kurse standen im allgemeinen ziemlich hoch, und die Waren haben zu recht anständigen Preisen Abnehmer gefunden, so daß sich eine Bilanz ergeben hat, die noch mit Überschuß für Sie ausgefallen ist«.
Auf dem bleichen Gesichte Pieter Kips malte sich eine lebhafte Befriedigung. Wie oft hatte er, inmitten der Leiden und Qualen des schrecklichen Lebens im Bagno, an seine zerrütteten Geschäftsverhältnisse, an das vom Konkurs bedrohte Handelshaus und an die Schande gedacht, die damit dem Namen seines Vaters angetan würde. Und jetzt erfuhr er von Herrn Hawkins, daß die Liquidation für sie so überaus glücklich ausgefallen sei.
Da nahm Karl Kip das Wort.
»Herr Hawkins, sagte er, wir wissen gar nicht, wie wir Ihnen unsere Dankbarkeit bezeugen sollen. Nach allem, was Sie schon für uns getan haben, nach der Achtung, die Sie uns erwiesen haben, und der wir nicht nur würdig waren, sondern es – ich schwöre es bei allem, was mir heilig ist – auch noch sind, ist, dank Ihnen, auch die Ehre unseres Hauses gerettet worden!… Wir sind es jedenfalls nicht, die die alte Firma geschändet hätten, denn auf unserem Gewissen lastet die Freveltat nicht, wegen der wir verurteilt wurden. Wir sind die Mörder des Kapitäns Gibson nicht!«
Und wie vor dem Gerichtshofe, riefen die beiden Brüder, Hand in Hand dastehend, den Himmel zum Zeugen ihrer Versicherung an.
Skirtle beobachtete sie mit Aufmerksamkeit und innerer Erregung, denn er fühlte sich unwillkürlich ergriffen von der Würde ihres Auftretens und dem Ausdrucke ehrlicher Aufrichtigkeit im Tone ihrer Stimme.
Da barst auch bei Hawkins die Hülle der Zurückhaltung, die er sich zuerst auferlegt hatte und er gab ungescheut dem Flüstern einer Stimme seines Inneren nach. Nein, er glaubte nun einmal nicht an die Schuld der Gebrüder Kip… er hatte auch vorher nie daran glauben können. Leider waren alle bisherigen Nachforschungen in Port-Praslin, in Kerawara und auf den übrigen Inseln des Bismarck-Archipels ergebnislos verlaufen… vergeblich war jede Spur nach den Mördern unter den eingebornen Stämmen verfolgt worden. Dennoch verzweifelte er nicht an einem schließlichen Erfolge, der dann eine Wiederaufnahme des Gerichtsverfahrens herbeiführen mußte.
Eine Wiederaufnahme des Verfahrens! Zum ersten Male war dieses Wort gefallen vor den beiden Verurteilten, die es nie mehr zu hören gehofft hatten… eine Wiederaufnahme, bei der sie vor andere Richter gestellt würden, denen sie dann vielleicht weitere Beweise ihrer Unschuld vorlegen könnten!
Neuen Richtern gegenüber bedurfte es freilich neuer, nicht zu bemängelnder Belege dafür, daß hier ein Justizirrtum vorliege, wenn diese einen anderen Angeklagten vor Gericht ziehen sollten, statt dessen sie, die Unschuldigen, verurteilt worden waren. Doch würde es gelingen, den wirklichen Urheber des Verbrechens zu entdecken und ihn vor den Geschworenen in
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