Die Gebrüder Kip
scharf in die Augen sehend:
»Was willst du damit sagen?… Sprich dich weiter aus!… Meinst du, daß ein Kolonist oder ein Angestellter aus den Faktoreien habe das Verbrechen begehen können?
– Nein, Bruder… nein, das nicht.
– Und wer denn sonst?… Etwa irgendwelche Matrosen?… Im Hafen von Kerawara lagen ja verschiedene Schiffe…
– Und unsere Brigg, der ›James-Cook‹, doch auch, antwortete Pieter.
– Der ›James-Cook‹!«
Karl Kip wiederholte den Namen noch mehrmals und sah dabei seinen Bruder fragend an.
Pieter Kip verkündete ihm daraufhin den Verdacht, dessen er sich nie hatte entschlagen können. Unter der Mannschaft der Brigg waren damals doch reckt verdächtige Gesellen, darunter die in Dunedin angeworbenen Matrosen, die sich ja auch an der von Flig Balt angezettelten Meuterei beteiligt hatten. Einer dieser Leute – Len Cannon zum Beispiel, um nur einen Namen zu nennen – hätte ja wohl wissen können, daß der Kapitän Gibson bei seinem letzten Gange nach der Wohnstätte Hamburgs nicht nur die Schiffspapiere, sondern auch eine Summe von mehreren tausend Piastern bei sich trug. Eben an jenem Nachmittage wären Len Cannon und seine Kameraden ans Land gegangen. Konnten sie da nicht Harry Gibson aufpassen und in den Wald von Kerawara folgen, um ihn hier zu überfallen, zu ermorden und zu berauben?
Karl hörte seinem Bruder mit ängstlicher und verzehrender Spannung zu. Ihm schien es, als sei eine wirkliche Offenbarung über ihn gekommen. Noch nie war es ihm auch nur eingefallen, den Mord mit anderen als mit Eingebornen in Beziehung zu bringen. Jetzt deutete Pieter auf eine andere Fährte hin, wo die Schuldigen zu suchen sein könnten, auf Len Cannon und die übrigen neueren Mannschaften des Schiffes.
Nach kurzer Überlegung äußerte er dann:
»Selbst zugegeben, daß die Mörder unter diesen Leuten zu suchen wären, so ist es doch nicht minder gewiß, daß der Kapitän mit einem malaiischen Dolche erstochen worden ist.
– Jawohl, Karl, und dazu mit dem unsrigen…
– Dem unsrigen?…
– Das ist gar nicht zu bestreiten, versicherte Pieter Kip, und die im Walde von Kerawara gefundene Zwinge gehört eben an unseren Kriß.
– Wie hätte dieser aber in Besitz der Mörder kommen können?
– O, der ist einfach gestohlen worden, Karl.
– Gestohlen?
– Ja, vom Wrack der ›Wilhelmina‹, als wir es durchsuchten.
– Gestohlen?… Von wem aber?
– Von einem der Matrosen, die damals mit im Boote waren, und die mit uns das Wrack betreten haben.
– Welche Matrosen waren das?… Erinnerst du dich ihrer, Pieter… ihrer Namen?
– Nicht mehr zuverlässig, Karl. Da war zunächst Nat Gibson, der uns begleiten wollte. Der Mannschaften, die vom Kapitän dazu befohlen wurden, entsinne ich mich nicht mehr.
– War der Bootsmann nicht mit darunter? fragte Karl Kip.
– Nein, Bruder, ich glaube versichern zu können, daß Flig Balt damals an Bord zurückblieb.
– Aber Len Cannon?
– Ja, das glaub’ ich. Mir ist’s, als ob ich ihn auf dem Wrack noch sähe. Vielleicht also dieser, doch gewiß bin ich meiner Sache nicht. Jedenfalls hat aber einer oder der andere in unsere Kabine gelangen und dort, selbst erst nach uns, den Kriß finden können, den wir nicht gleich gesehen hatten. Später, als die Elenden das Verbrechen vereinbart hatten, haben sie sich zur Ausführung dieser Waffe bedient und sie dann wieder in unseren Reisesack gesteckt…
– Dann hätten wir sie aber darin gefunden, Pieter!
– Nein… wenn sie nur im letzten Augenblick darin versteckt worden ist!«
Dieses Zwiegespräch zeigte, wie nahe Pieter Kip an die Wahrheit streifte. Er irrte sich nur bezüglich der Persönlichkeiten der Mörder. Wenn sein Verdacht auf Len Cannon oder einen anderen der Neuangeworbenen fiel, die einen solchen ja gewiß rechtfertigten, so dachte er doch weder an Flig Balt noch an Vin Mod.
Sicher war übrigens, daß der Bootsmann sich nicht mit in der Schaluppe eingeschifft hatte, die nach dem Wracke fuhr, ebenso sicher freilich, daß sich Vin Mod unter den Mitfahrenden befunden hatte, nur erinnerten sich Karl und Pieter Kip dessen nicht mehr. Der Leser weiß, wie der Schurke zu Werke gegangen war und welche Gewandtheit und Schlauheit er an den Tag gelegt hatte, auf sich keinen Verdacht fallen zu lassen.
So verlief also das Gespräch, das die beiden Brüder jedenfalls in gleicher Weise schon weit früher geführt hätten, wenn sie nicht, anfänglich im Gefängnis von Hobart-Town und
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