Die Gebrüder Kip
es kommt nur selten vor, daß der Thermometer über achtundachtzig Grad Fahrenheit (30° C.) aufweist.
An diesem Tage kam die Brigg nur an wenigen Piroguen ohne Ausleger vorüber, die viereckige, fast quadratische Segel führten. Übrigens ist von den Eingebornen Neuirlands, oder – seit die schwarzweißrote Flagge darüber weht – Neumecklenburgs nichts mehr zu befürchten.
Keinerlei Zwischenfall störte die Ruhe der Nacht. Als die Brise nach vierundzwanzig Stunden wieder aufsprang, konnte man zwischen den zahlreichen madreporischen Bänken und Korallenriffen vor dem Eingange nach Port-Praslin nur eine verminderte Segelfläche führen. Jedes Schiff muß hier vorsichtig sein und alle Havarien zu verhüten suchen, da solche hier nicht leicht ausgebessert werden könnten. Die ganze Mannschaft mußte deshalb auf dem Verdeck bleiben, um für die oft plötzlich nötig werdenden Segelmanöver zur Hand zu sein. Selbstverständlich entbehren diese Küsten in der Nacht bisher noch der Leuchtfeuer, und die sonstigen Merkpunkte sind in der Dunkelheit natürlich nutzlos. Gibson war mit dem Fahrwasser in der Nähe von Port-Praslin jedoch hinlänglich bekannt.
Mit Tagesanbruch meldete die Wache den Eingang zu der mit hohen Bergen eingerahmten Reede. Der »James-Cook« fuhr bei Hochwasser durch die am besten schiffbaren Zugänge ein, und gegen neun Uhr Morgens legte er sich inmitten des Hafens mit zwei Ankern fest.
Fußnoten
1 Die Koprah ist die Mandel, der Kern der Kokosnuß, nachdem diese, zerstückelt und auf dem Sande in den Strahlen der Sonne gedörrt, soweit zubereitet ist, daß sie in die dafür bestimmten Mühlen geschafft werden kann, wo man daraus das zur Seifenfabrikation dienende Kokosnußöl gewinnt.
Elftes Kapitel.
Port-Praslin.
Der erste Besucher, der sich auf der Brigg einfand, war Herr Zieger, der Kaufmann von Neuirland, der mit dem Hause Hawkins in Geschäftsverbindung stand. Zieger, ein Mann in den besten Jahren, hatte in Port-Praslin sein Kontor schon seit zwölf Jahren errichtet, also lange bevor der Teilungsvertrag der Insel den Namen Neumecklenburg und der ganzen Gruppe den des Bismarck-Archipels gegeben hatte.
Das Verhältnis zwischen Hawkins und Zieger war stets ein vortreffliches gewesen, und es beschränkte sich auch nicht allein auf den Austausch von Waren zwischen Hobart-Town und Port-Praslin. Herr Zieger war schon mehrmals nach der Hauptstadt von Tasmanien gekommen, wo ihn der Reeder stets mit großer Freude aufnahm. Die Handelsherren bewahrten vor einander eine aufrichtige Hochachtung. Auch Nat Gibson war Herrn Zieger kein Fremder mehr, so wenig wie der Frau Zieger, die ihren Gatten auf seinen Reisen zu begleiten pflegte. Jetzt hofften auch alle, die Zeit des Aufenthaltes in Neuirland recht angenehm zu verbringen.
Der Kapitän und Herr Zieger waren langjährige Bekannte und vertraute Freunde, die sich mit einem warmen Händedruck begrüßten, als wären sie erst gestern zusammen gewesen.
Herr Zieger, der sehr geläufig englisch sprach, sagte zu dem Reeder:
»Ich hoffe bestimmt, Herr Hawkins, daß Sie von der Gastfreundschaft Gebrauch machen, die meine Frau und ich Ihnen in unserem Hause in Wilhelmstaf bieten können.
– Sie meinen, daß wir den »James-Cook« verlassen sollen? antwortete der Reeder.
– Gewiß, Herr Hawkins!
– Doch nur unter der Voraussetzung, Herr Zieger, daß wir Ihnen nicht zur Last fallen…
– O, seien Sie überzeugt, in keiner Weise. Ihr Zimmer ist schon zurecht gemacht und für Gibson und seinen Sohn ist natürlich auch eines da.«
Die Einladung erfolgte in so warmem Tone, daß man sie unmöglich abweisen konnte. Hawkins, der auch nicht sehr gewöhnt war, in der beschränkten Kajüte eines Schiffes zu wohnen, wünschte ja nichts mehr, als seine Kabine gegen ein bequemes Zimmer der Villa Wilhelmstaf zu vertauschen.
Nat Gibson nahm die Einladung ebenfalls mit Freuden an, nur der Kapitän lehnte sie ab, wie er das bisher immer getan hatte.
»Wir werden uns ja jeden Tag sehen, sagte er. Meine Anwesenheit ist aber an Bord notwendig, und ich habe einmal den Grundsatz, mein Schiff, auch so lange es in einem Hafen liegt, nicht zu verlassen.
– Wie es Ihnen beliebt, Gibson, antwortete Herr Zieger, Sie werden aber jedenfalls des Morgens und des Abends mein Tischgast sein.
– Das recht gern, erklärte Gibson. Schon heute werd’ ich mit Hawkins und meinem Sohne Ihrer Gattin einen Besuch abstatten und an Ihrem Familienfrühstück mit Vergnügen
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