Die Geburt Europas im Mittelalter
bis 1270 fast den ganzen universitären Lehrbetrieb durchdrang. Ein ebenfalls in Mode gekommener Magister, der Dominikaner Thomas von Aquin, war einer seiner großen Wegbereiter an den Universitäten. Aber nach 1270 erfuhr der Aristotelismus merkliche Rückschläge, sowohl durch die Verurteilungen durch Traditionalisten wie Étienne Tempier als auch durch die Angriffe «modernerer» Magister, die ihm eher mystisch orientierte und weniger rationalistische Ideen entgegenhielten. Zu den letzten gehörten die Franziskaner Johannes Duns Scotus (1266–1308) und Wilhelm von Ockham (um 1285–1347) sowie der Dominikaner Meister Eckhart (um 1260–1328). Der Intellektualismus des Aristoteles galt hinfort als Behinderung einer Wissenschaft, die experimentell wurde und sich der freien Diskussion öffnete.
Die Universitäten setzten sich aus geschlossenen, nach Disziplinen geordneten Fakultäten zusammen. Theoretisch besaß jede Universität alle vier Fakultäten, die es gab, aber in Wirklichkeit war das nicht immer der Fall, und oft erlangte eine Fakultät herausragende Bedeutung gegenüber den anderen, die nur am Rande existierten. So stand die Universität von Bologna in erster Linie für das Recht, die von Paris für die Theologie und die von Montpellier für die Medizin. Die Rangordnung der Fakultäten richtete sich nach dem Stellenwert im
curriculum
und nach der Würde, wobei die propädeutische Fakultät der
Artes liberales
an unterster Stelle rangierte. Hier wurden die Künste des
trivium
(Grammatik, Rhetorik und vor allem Dialektik) und die Künste des
quadrivium
(Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musik) gelehrt; tatsächlich dominierten oft die Fächer, die wir heute wissenschaftlich nennen würden. Unter sozialen Gesichtspunkten war die Artistenfakultätübrigens mit den jüngsten, unruhigsten und ärmsten Schülern bevölkert, von denen nur wenige das Studium an einer höheren Fakultät fortsetzten. Im Anschluss an die Fakultät der Freien Künste boten sich zunächst zwei Spezialisierungen an, entweder an der juristischen Fakultät, wo Zivilrecht und Kirchenrecht gelehrt wurden, oder an der medizinischen Fakultät, die mehr Schrifttum und theoretisches Wissen vermittelte als praktische Erfahrung. Als höchste Fakultät schließlich bildete die Theologie den krönenden Abschluss.
Die erste Universität war die von Bologna, die ihre päpstlichen Statuten zwar erst 1252 erhielt, deren Magistern und Studenten Kaiser Friedrich Barbarossa aber schon 1154 Privilegien gewährt hatte. Die Pariser Lehrer und Studenten empfingen 1174 Privilegien aus der Hand Papst Coelestins III. und 1200 aus der des Königs von Frankreich, Philipps II. August. Die Universitätsstatuten hingegen wurden erst 1215 von dem päpstlichen Legaten Robert de Courson verfasst. Ihnen folgte 1231 eine sehr wichtige Bulle (
Parens scientiarium)
von Papst Gregor IX., die eine berühmte Lobrede auf die Universität und die Theologie enthielt, die nach dem Wort von Pater Chenu an dieser neuen Bildungsstätte eine «Wissenschaft» geworden war. Die Universitäten Oxford, Cambridge und Montpellier wurden in den ersten Jahren des 13. Jahrhunderts gegründet, Neapel 1224 von Kaiser Friedrich II., Lissabon 1288. Das
Studium Romanae Curiae
erfüllte die Rolle einer regelrechten Universität, an der, wie Agostino Paravicini Bagliani gezeigt hat, die Optik und die Naturwissenschaften eine wichtige Rolle spielten.
Besonders aufschlussreich ist die Gründungsgeschichte der Universität von Salamanca, die König Alfons IX. von León in den Jahren 1218–1219 als königliche Einrichtung ins Leben rief. Durch die
carta magna
des kastilischen Königs Alfons X., des Weisen, wurde sie 1254 als Hohe Schule privilegiert, und 1255 erkannte Papst Alexander IV. sie als päpstliche Universität an, der er das Recht zusprach, die
licentia ubique docendi
zu erteilen. Der Historiker dieser Universität, Antonio García y García, hat die beispielhaften Privilegien, die Alfons III. 1254 für Salamanca erließ, genau beschrieben: «Durch die
carta magna
wurden verschiedene Lehrstühle geschaffen, einer fürziviles Recht und drei für kanonisches Recht – davon einer für Dekrete und zwei für Dekretalen –, zwei für Logik, zwei für Grammatik, zwei für Physik (Medizin), sowie die Stellen eines Bibliothekars, um den Magistern und Studenten die notwendigen Bücher zu liefern, eines Organisten und eines Apothekers. Mit der Zeit erhöhte sich die Zahl der Lehrstühle.
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