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Die Geburt Europas im Mittelalter

Die Geburt Europas im Mittelalter

Titel: Die Geburt Europas im Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Prozentrechnung.
    Am Ende des 13. Jahrhunderts haben die Kaufleute zwei grundlegende Güter errungen, die bis dahin unvereinbar waren, ein materielles und ein spirituelles Gut. Vorher hatten sie Geld verdient, sich aber dadurch der Verdammnis ausgesetzt, wie die romanische Bildhauerei vor Augen führt, wo die Börse, die der Kaufmann um den Hals trägt, ihn hinunterzieht und in die Hölle stürzen lässt. Jetzt kann er sein Geld behalten und dennoch, nach einem mehr oder weniger langen Aufenthalt im Fegefeuer, ins Paradies eingehen. Er hat «Börse
und
Leben» in Einklang gebracht.
Italienische und hansische Kaufleute
    Zwei Völker beherrschen die Welt der Kaufleute im 13. Jahrhundert: die Italiener im Süden, im Mittelmeergebiet, und die Deutschen im Norden, von den britischen Inseln über Flandern bis zur Ostsee. Während die Italiener nicht nur in der byzantinischen und an den Ausläufern der muslimischen Welt eine starke Präsenz aufweisen, sondern auch in Flandern zunehmend aktiv werden, ist die beeindruckendste Handelsexpansion doch die der Hanseaten. Sie sind die Nachfolger der friesischen und flämischen Kaufleute des Früh- und beginnenden Hochmittelalters, wenn auch weit dynamischer und mit einer ungleich größeren Fülle von Waren ausgestattet. Im 12. Jahrhundert war der an der Rheinmündung gelegene frühmittelalterliche Handelsplatz Tiel hinter Utrecht zurückgetreten, das außer von Flamen und Friesen auch von Rheinländern, Sachsen, Dänen und Norwegern frequentiert wurde. Brüggewar das wichtigste Handelszentrum der Niederlande geworden. Die Kaufleute dort betrieben ein Import-Export-Geschäft mit Weinen aus dem Rheinland – den großen Konkurrenten des französischen Weins in Europa –, Metallwaren, Edelsteinen, Luxusstoffen sogar aus Konstantinopel und Rüstungen aus Mainz. Den spektakulärsten Aufstieg erlebten die Kaufleute der Stadt Köln, die sowohl mit den britischen Inseln im Westen als auch mit Dänemark im Osten Handelsverbindungen unterhielten. Besonderen Erfolg hatten sie in England, wo sie spätestens 1130 das Aufenthaltsrecht erhielten und oberhalb der Londoner Brücke ein Haus an der Themse erwarben, die Gildehalle, die sie zum Mittelpunkt ihrer Geschäfte machten. 1157 gewährte König Heinrich II. den Kölnern seinen besonderen Schutz. Der Ostseehandel im Nordosten war in den Händen bäuerlicher Seefahrer aus Gotland, die Nowgorod in Russland zu seinem Reichtum verhalfen. Umgekehrt tauchten russische Kaufleute auf der Ostsee und in Dänemark auf, wo sie mehr Preußen und Esten als Deutsche trafen. Die Handelsaktivitäten änderten sich mit dem Aufschwung der Städte. Die Entstehung und Entwicklung der deutschen Hanse hängen eng mit der städtischen Bewegung zusammen.
    Philippe Dollinger hat den Prozess, der im 13. Jahrhundert zur Festigung der Hansestädte führte, genau erfasst. Hier das allgemeine Schema: «Zunahme der Einwohnerzahl in bestimmten, günstig gelegenen Ansiedlungen durch die Zuwanderung bäuerlicher Handwerker und durch die ständige Niederlassung von Kaufleuten; Vereinigung eines Kaufmannsviertels – in Norddeutschland
wiek
genannt – mit einem älteren Zentrum kirchlicher oder weltlicher Herrschaft innerhalb desselben ummauerten Raumes; Ausbildung eines einheitlichen und eigenen Rechts der Stadt und ihrer Bewohner mit besonderer Betonung der Grundbesitz- und Handelsfragen; Schaffung einer häufig durch Eid begründeten Bürgergemeinschaft; vorherrschender Einfluss der Kaufleute innerhalb dieser Gemeinschaft (wenigstens an den wichtigsten Orten), die sich zuweilen in einer Gilde zusammenschlossen; Aneignung des Stadtregiments durch die reichsten Familien, das Patriziat; wachsende Autonomie der Stadt gegenüber dem Stadtherrn; schließlich Ausbildung von Verwaltungsorganen in der Handder Bürger.»[ 11 ] Ganz am Ende des 12. Jahrhunderts wurde der Rat die führende Versammlung der nunmehr ausgebildeten Stadt. Bei diesem Prozess muss die Bedeutung der Stadtrechte, die im Wesentlichen seit dem 13. Jahrhundert aufgezeichnet wurden, besonders hervorgehoben werden. Unter den einflussreichsten juristischen Modellen ist insbesondere das Dortmunder Recht zu nennen, das viele westfälische Städte übernahmen, für die Dortmund Berufungsinstanz und
Oberhof
der Rechtsprechung blieb; ferner das in Sachsen verbreitete Goslarer Recht und vor allem das Magdeburger Recht, das in Osteuropa einschließlich Polens und der slawischen Länder als das «deutsche Recht»

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