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Die Gedichte

Die Gedichte

Titel: Die Gedichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Maria Rilke
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alle Bande sanken,
weiß nicht, was tun vor Glück, und springt
bis aufwärts zu den Bretterplanken,
dahinter Beete, kiesumringt,
und Blumenblühn und Birkenschwanken.
Und vor dem Häuschen, goldbezinkt,
um das der Frühling seine Ranken
wie liebeleise Arme schlingt, –
ein blondes Kind, das in Gedanken
das schönste meiner Lieder singt.

    An manchem Tag ist meine Seele still:
Ein Gotteshaus, draus alle Beter gingen.
Ein Engel nur wehrt mit den goldnen Schwingen
dem Weihrauch, der mit seinen leisen Ringen
den Jubel seiner Arme fesseln will.

    Verträumte Heiligenbilder dunkeln drin
in ratlos-sehnendem Erhörenwollen:
Sie warten auf den Sonntag mit den vollen
Gestühlen und dem großen Orgelrollen –
und blasse Ampeln schwanken her und hin.

    Nennt ihr das Seele, was so zage zirpt
in euch? Was, wie der Klang der Narrenschellen,
um Beifall bettelt und um Würde wirbt,
und endlich arm ein armes Sterben stirbt
im Weihrauchabend gotischer Kapellen, –
nennt ihr das Seele?

    Schau ich die blaue Nacht, vom Mai verschneit,
in der die Welten weite Wege reisen,
mir ist: ich trage ein Stück Ewigkeit
in meiner Brust. Das rüttelt und das schreit
und will hinauf und will mit ihnen kreisen …
Und das ist Seele.

    Die hohen Tannen atmen heiser
im Winterschnee, und bauschiger
schmiegt sich sein Glanz um alle Reiser.
Die weißen Wege werden leiser,
die trauten Stuben lauschiger.

    Da singt die Uhr, die Kinder zittern:
Im grünen Ofen kracht ein Scheit
und stürzt in lichten Lohgewittern, –
und draußen wächst im Flockenflittern
der weiße Tag zur Ewigkeit.

    Der Abend kommt von weit gegangen
durch den verschneiten, leisen Tann.
Dann preßt er seine Winterwangen
an alle Fenster lauschend an.

    Und stille wird ein jedes Haus:
die Alten in den Sesseln sinnen,
die Mütter sind wie Königinnen,
die Kinder wollen nicht beginnen
mit ihrem Spiel. Die Mägde spinnen
nicht mehr. Der Abend horcht nach innen.
Und innen horchen sie hinaus.

    Das Wetter war grau und grell;
der Abend ist lichter und leiser.
Sicher kommt irgendein Kaiser:
Alle Häuser sind hell.
Und so festlich und weich
war das Abendgebimmel;
die Alten schaun in den Himmel,
und die Kinder sind reich.

    Sonne verlodert am Himmelsrain.
Durch ernteverarmte Krumen
waten die Weiber feldein.
An den verschimmernden Schienenreihn
beim Bahnhüterhäuschen, sommerallein,
sinnen Sonnenblumen.

    Du arme, alte Kapelle
mit deiner verstaubten Zier –
der Frühling baut eine helle
Kirche neben dir.

    Viel frierende Frauen hinken
in deine Weihrauchruh,
draußen die Kinder winken
allen Rosen zu.

    Die Mädchen singen:

    Alle Mädchen erwarten wen,
wenn die Bäume in Blüten stehn.
Wir müssen immer nur nähn und nähn,
bis uns die Augen brennen.
Unser Singen wird nimmer froh.
Fürchten uns vor dem Frühling so:
Finden wir einmal ihn irgendwo,
wird er uns nichtmehr erkennen.

    Lehnen im Abendgarten beide,
lauschen lange nach irgendwo.
»Du hast Hände wie weiße Seide … «
Und da staunt sie: »Du sagst das so … «

    Etwas ist in den Garten getreten,
und das Gitter hat nicht geknarrt,
und die Rosen in allen Beeten
beben vor seiner Gegenwart.

    Eine der weißen Vestageweihten
lächelte Gnade dem Todbereiten,
löste ihm von der Stirn die Schmach.

    Dann sehnte sie wie eine Sklavin dem Schreiten
des todbefreiten, schulterbreiten
Epheben nach.

    Im Kreise der Barone
der König ritt zur Jagd.
Ihm wohnte in roter Krone
ein einsamer Smaragd.

    Da giebts unter hellen Hufen
Wege so weit und weiß;
keiner hört Hilfe rufen,
und der Mittag ist heiß …

    Ob einer den König erkannte?

    Die Dohlen im Abend schrien.
Die allerkühnste spannte
den Flug schon über ihn:
Auf des Königs Stirne brannte
ein einsamer Rubin.

    Ein weißes Schloß in weißer Einsamkeit.
In blanken Sälen schleichen leise Schauer.
Todkrank krallt das Gerank sich an die Mauer,
und alle Wege weltwärts sind verschneit.

    Darüber hängt der Himmel brach und breit.
Es blinkt das Schloß. Und längs den weißen Wänden
hilft sich die Sehnsucht fort mit irren Händen …
Die Uhren stehn im Schloß: es starb die Zeit.

    Irgendwo muß es Paläste geben,
drin die Fenster von Staub verschnein;
in der Säle hallende Reihn
tauchen tote Tage hinein:
Gestalten wallen, es warnt der Schrein;
und kein lustiger Leuchterschein
reicht in das einsame Seltsamsein …

    Dorten wollen wir Feste geben –
märchenallein.

    Im Schlosse mit den roten Zinken
wär ich so gern des Abends Gast.
Die Fenster glühn, die Falten sinken,
und meine weißen

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