Die Gefangene des Highlanders
bösen Sturz seines Freundes zu verhindern.
„Verflucht noch mal!“, keuchte Druce und wollte schon wieder zupacken, da öffnete sich unten die Turmtür und Aisleens erschrecktes Gesicht war zu sehen.
„Sei unbesorgt, Aisleen“, sagte Braden und ließ von seinem Freund ab, um sich das Blut von der Lippe zu wischen.
„Nur ein kleiner Streit unter Freunden!“
Auch Druce setzte sich zurecht und versuchte, seinen verlorenen Schuh wieder überzustreifen, stieß dabei jedoch mit dem Fuß gegen einen Gegenstand, der aus der umgestürzten Truhe gefallen war.
Das Messer rutschte über den Boden und fiel mit hellem, metallischem Klang auf die steinerne Treppe, glitt ein paar Stufen hinab, drehte sich dann um sich selbst und blieb liegen. Das Licht, das durch die geöffnete Tür einfiel, ließ den Stahl aufblitzen.
„Das ist Swans Messer“, sagte Aisleen überrascht. „Wie kommt es hierher?“
Braden spürte, wie ihm übel wurde.
„Wo ist dein Bruder, Aisleen?“
„Ich weiß nicht, Herr“, flüsterte sie bekümmert. „Ich habe ihn den ganzen Tag über noch nicht gesehen.“
Braden schickte sie hinaus, gab ihr den Auftrag, nach Swan zu suchen, und wandte sich dann zu Druce, der versuchte, seinen zerrissenen Gürtel zusammenzuknoten.
„Es das Messer, mit dem Marian mich töten wollte, Druce“, sagte er mit heiserer Stimme. „Sie muss es von Swan erhalten haben. Aber warum hat Swan mir dann erzählt …“
Druce hörte auf, an seinem Gürtel herumzunesteln und sah seinem Freund zornig in die Augen.
„Marian wäre die Letzte gewesen, die dich hätte töten wollen, du Dummkopf. Wirst du mir jetzt endlich die Beichte abnehmen?“
„Was für eine Beichte?“
„Es geht um diese gottverdammten Botschaften, Braden …“
Nur wenige Sätze später hatte Braden den Eindruck, der Himmel müsse über ihm zusammenstürzen. Ja, er war sogar so verzweifelt, dass er froh gewesen wäre, wenn dieses Unglück tatsächlich eingetreten wäre.
Am Abend tauchte Swan auf, der sich den Tag über in den Wäldern herumgetrieben hatte, und man befragte ihn. Er gestand, sein Messer unter das Lager geschoben zu haben, während Braden mit dem Späher auf der obersten Turmplattform stand.
Er hatte es aus Eifersucht getan. Wenn er selbst Lady Marian schon nicht lieben durfte, so sollte es auch kein anderer tun.
***
Graham MacBoyll hatte sein Versprechen gehalten. Nur zwei Tage nach Marians Rückkehr überschwemmten zahllose fremde Ritter den Burghof, drängten sich in der großen Halle und riefen lauthals nach Knechten und Mägden. Die Burgherrin trieb das Gesinde an, die Gäste mit Bier, Fleisch und Brot zu bewirten, es wurden Strohlager in der Halle und in den Nebengebäuden eingerichtet, und man entschied, die Pferde außerhalb der Mauern einzupferchen, denn die Ställe mussten jetzt als Schlafstätte für Knechte und Mägde herhalten.
Während Flora und Fia unablässig beschäftigt waren, um die Wünsche der vielen Gäste zu erfüllen, hatte Marian sich geweigert, auch nur einen Finger zu rühren. Zornig stand sie am Fenster des breiten Wohnturms und spähte hinab in das Gewimmel auf dem Burghof, wo die fremden Ritter ohne zu fragen Hühner und Schweine schlachteten, um sie für die Abendmahlzeit zu braten.
Was für schlechte Manieren sie haben, dachte sie ärgerlich. Aber was will man auch von Männern verlangen, die Graham MacBoyll anführt?
Eine Magd kreischte und flüchtete sich in den Stall, ihr Verfolger ließ sich jedoch nicht abschütteln und folgte ihr, das Gewand vorn schon gerafft. Was im Stall geschah, konnte Marian nicht sehen, aber es schien die fremden Ritter, die sich an der Stalltür drängten, sehr zu belustigen, denn sie hörte ihr grölendes Gelächter. Pagan lief über den Hof, sein Gewand trug Spuren einer Prügelei, und Marian hörte ihn lauthals über die Gäste schimpfen.
Marian wandte sich vom Fenster ab, angewidert von dem rüpelhaften Benehmen der fremden Ritter, und sie dachte sorgenvoll daran, dass es in der ganzen Burg keinen Ort gab, an dem sie sich hätte verbergen können. Graham war vorhin mit sichtlich gesteigertem Selbstbewusstsein in den Burghof eingeritten, seine Rüstung war so blankgewienert, dass sie sogar bei dem trüben Regenwetter glänzte, und sein Schwert schien von bester Machart zu sein. Dennoch hatte Marian insgeheim grinsen müssen, denn der stolze Herr ritt einen mächtigen, braunen Wallach, dessen wuchtige Ausmaßen den Reiter eher klein und schmächtig aussehen
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