Die Gefangene des Highlanders
ließen. Graham konnte sich noch so prächtig herausputzen – er blieb doch immer der gleiche hässliche Ziegenbock.
Sie würde später an der Tafel in seiner Nähe sitzen müssen, und er würde ganz sicher nicht zögern, seinen Anspruch auf sie deutlich zu machen. Der Gedanke daran war nicht gerade angenehm, denn Graham war ihr mehr als widerlich.
Sie musste verrückt gewesen sein, als sie bereit war, diesen Kerl zu heiraten, nur um Braden vor einer tödlichen Fehde zu retten. Wie hatte Braden ihr diese Opferbereitschaft gelohnt? Eifersüchtig war er gewesen, Vorwürfe hatte er ihr gemacht. Wie hatte sie nur so dumm sein können, ihre Liebe ausgerechnet an Braden MacDean zu verschwenden?
Braden MacDean war ein misstrauischer, kleinmütiger Menschenfeind geworden – ein Mensch, der niemandem mehr vertrauen konnte, der ihre zärtliche, aufrichtige Liebe nicht wert war. Die wenigen Tage ungetrübten Glücks an seiner Seite waren nichts als ein schönes Blendwerk gewesen, die Wahrheit über Braden MacDean sah anders aus. Von nun an würde sie sich bemühen, ihn zu vergessen, er hatte es nicht anders verdient.
Leicht war es nicht, einen Mann wie Braden aus seinem Hirn zu verbannen, denn sobald sie allein war, fiel die Erinnerung an ihn in tausend schönen Bildern über sie her. Seine hellen, grauen Augen, die so zornig blitzen konnten und die sie doch so voller Zärtlichkeit angesehen hatten. Seine schön geformten, weichen Lippen, die fordernde Art, wie er sie küsste, seine tiefe Stimme, die so dunkel und warm klingen konnte, dass es sie durchschauerte. Braden, der nackt in den schäumenden Wasserfluten stand, die wulstigen Muskeln seiner Schultern und Oberschenkel, auf denen die Gischt sich in kleinen, durchsichtigen Tröpfchen niedergeschlagen hatte, sein sehniger Rücken, in dem die rötliche Narbe leuchtete.
Es fiel ihr nicht leicht zuzugeben, dass die andere gewonnen hatte. Die Sarazenin hatte Braden die Fähigkeit zu lieben genommen, und sie, Marian, hatte es nicht geschafft, sie ihm wiederzugeben. Sie hatte es versucht, weiß Gott, das hatte sie. Aber es war ihr nicht gelungen.
Es war im Grunde gleich – sie konnte ebenso gut auch Graham heiraten. Wenn dieser Mensch nur nicht solch ein Widerling gewesen wäre. Allein der Gedanke daran, sich mit ihm auf ein eheliches Lager zu begeben, ließ ihr übel werden.
Wie sollte sie überhaupt jemals einen anderen Mann lieben als Braden?
Die Unruhe auf der Burg hielt den ganzen Tag über an. Da David MacAron seiner Krankheit wegen nicht für Ordnung sorgen konnte, hatte Graham es selbstherrlich übernommen, die Befehle zu geben, was jedoch den Zorn der Gastgeber hervorrief, die sich zurückgesetzt fühlten und zähneknirschend mit ansehen mussten, wie die fremden Ritter schalten und walten durften, wie es ihnen gerade gefiel. Sie richteten heftige Verwüstungen unter dem Vieh an, betranken sich an dem frisch gebrauten Bier und prügelten sich dann um die besten Plätze an den langen Tafeln, die in der Halle für die Ritter aufgebaut wurden.
Als der Lärm fast unerträglich wurde, hielt Marian es nicht mehr aus. Es war eine Schande – noch vor einem guten Jahr hätte ihr Vater mit harter Hand regiert, und kein Ritter hätte sich erdreistet, das Gastrecht zu missbrauchen. Nun aber war ihr Vater zu krank, um auf seiner eigenen Burg für Ordnung zu sorgen, und es gab niemanden, der es für ihn hätte tun können. Sie band das Haar unter einer Haube zusammen, zog einen Überwurf über das Kleid und begab sich zornerfüllt in die Halle.
Das Durcheinander in dem großen Raum war schrecklich. Einige der Gäste, die dem Bier bereits reichlich zugesprochen hatten, saßen lallend und grölend auf dem Boden, andere hatten sich ohne Rücksicht auf ihren Rang und den ihrer Gastgeber der Tische und Bänke bemächtigt, klopften mit den leeren Bechern auf den Holzbrettern herum, teilten Schläge und Püffe an die Mägde aus und forderten, dass endlich die Speisen aufgetragen würden. Wieder andere standen unschlüssig herum, schimpften, stießen sich gegenseitig zur Seite und begannen kleine Prügeleien.
„Herrin – was sollen wir tun?“
„Zieht die Tische dort hinüber. Pagan, Ryan – ich brauche euch!“
Die Knechte und Mägde waren froh, Marians helle, kräftige Stimme zu hören, und sie folgten ihren Befehlen so gut wie möglich. Auch die Ritter der MacArons spürten plötzlich, dass ein energischer Wille im Raum laut wurde, und so sehr sie oft über Marian
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