Die Gefangene des Highlanders
verdient, das hatte sie auch heute wieder bewiesen. Die Ritter der MacBoylls hingegen sahen gespannt auf ihren Herrn, denn er würde auf diese Frechheit jetzt die gebührende Antwort geben müssen.
Graham hatte sich von seinem Sitz erhoben und war mit bösem Grinsen zu Marian getreten, die nun ebenfalls aufstand.
„Du wirst lernen, dass mein Wille hier Befehl ist“, sagte er leise und drohend.
Sie stand dicht vor ihm, kniff böse die Augen zusammen und hob das Kinn.
„Hier auf dieser Burg befielt niemand anderes als mein Vater!“, zischte sie ihn an.
Da fasste er den weißen Stoff ihrer Haube mit raschem Griff und riss sie ihr herunter. Sie schrie auf, ihr üppiges, rotes Haar löste sich wie eine züngelnde Flamme aus den Bändern und Spangen und fiel ihr über die Schultern. Die Männer im Saal starrten sie mit wilden, begehrlichen Blicken an, man schnalzte mit der Zunge, einige riefen sich zotige Scherze zu, andere lachten anerkennend über Grahams Dreistigkeit. Die Ritter der MacArons jedoch waren blass vor Ärger, und nicht wenige fassten zornig an die Griffe ihrer Waffen, bereit, für die Ehre ihrer Herrin zu streiten.
„Wie kannst du es wagen?“, krähte David MacAron empört. „Nimm sofort die Hände von meiner Tochter – oder wir vergessen alle Abmachungen!“
Graham wusste nur zu gut, wie hilflos der Zorn des Alten war. Er setzte dennoch ein bescheidenes Lächeln auf und überreichte Marian die Haube mit einer tiefen Verbeugung.
„Vergib mir, dass ich mich von meiner Leidenschaft habe hinreißen lassen. Ich bereue meine Tat aufrichtig und hoffe auf deine Großmut, meine Schöne.“
Marian hätte ihm gern eine schallende Ohrfeige verpasst. Doch wenn sie das getan hätte, wäre in der Halle eine Schlacht ausgebrochen.
Kapitel 19
„Das kann kein gutes Ende nehmen“, sagte Fia zitternd.
Die Frauen hatten sich nach dem Abendschmaus in den Wohnturm zurückgezogen, während in der Halle weiter getafelt und getrunken wurde. Man hörte das laute Grölen der fremden Ritter bis in den Turm hinauf, einige der Mägde hatten sich ängstlich im unteren Turmzimmer verschanzt, andere, die nicht so prüde waren, ließen sich freimütig mit den neuen Herren ein, und man vernahm ihr vergnügten Kreischen in den Ställen und Gesindehäusern. Auf dem Burghof standen einige der Ritter von David MacAron in kleinen Gruppen beieinander und ließen ihrem Ärger freien Lauf. Im Licht der Fackeln sah Marian ihre zornigen Gesichter, geballte Fäuste erhoben sich, Flüche und Verwünschungen wurden laut.
Graham MacBoyll hatte eine beeindruckende Zahl von Kämpfern um sich versammelt, er musste auch den letzten Mann, der ihm mit Hengst und Harnisch zu Kriegsdiensten verpflichtet war, aufgebracht haben. Es hielten sich fast doppelt so viel Gäste wie eigene Ritter in David MacArons Burg auf.
Marian sah in die Augen ihrer Mutter und schwieg. Flora MacAron saß in sich zusammengesunken auf einem Polster, erschöpft von der Mühsal, die Mägde anzutreiben und die Mahlzeit vorzubereiten, und in ihrem Gesicht stand Hoffnungslosigkeit. Es würde Schlimmes geschehen, und niemand konnte es aufhalten.
„Wir müssen ihn warnen“, sagte Marian.
„Es ist zu spät.“
„Wir hätten die Kerle gar nicht in die Burg lassen dürfen.“
„Es ging zu rasch, Marian.“
„Verdammt – warum gibt es keinen einzigen Mann auf dieser Burg, der das Heft in die Hand nehmen könnte!“
„Wenn Ewan noch am Leben wäre, dann sähe alles anders aus“, sagte Flora leise und sah zu Boden.
„Das ist wohl wahr!“
Marian lief ungeduldig aus dem Turmzimmer und stahl sich leise auf den Burghof.
„Was steht ihr hier herum“, schalt sie die Ritter ihres Vaters. „Geht in die Halle und steht dem Herrn zur Seite.“
Doch nur wenige der Männer hatten Lust dazu. Drinnen in der Halle wüteten die fremden Ritter, lärmten und prahlten herum, und nicht wenige der Gastgeber hatten bereits zur Belustigung der Fremden Prügel bezogen. Man zog sich lieber zurück, denn die Männer von Graham MacBoyll waren in der Überzahl.
„Der Clanchief braucht euch“, schimpfte Marian. „Wollt ihr euren Herrn im Stich lassen?“
„Ach was. Es ist alles friedlich. David MacAron und Graham MacBoyll handeln Eure Hochzeit aus, und so wie es den Anschein hat, wird das noch eine Weile dauern.“
Die Männer suchten sich ruhige Schlafplätze, während Marian leise wieder in den Turm zurückkehrte. Sie war zornig. Offensichtlich hatten alle sich hier
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