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Die geheime Mission des Nostradamus

Titel: Die geheime Mission des Nostradamus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle Riley
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es einschloß. Die Türscharniere waren innen angebracht, und falls es mir gelänge, sie zu lösen und die Tür herauszunehmen, folgerte ich, könnte ich mit dem Kerzenhalter den Mörtel wegkratzen, ehe er getrocknet war, und die Ziegelwand zum Einsturz bringen. Ich preßte das Ohr an die Tür. Nichts mehr zu hören. Was war, wenn man vor der Tür Wachen postiert hatte? Würden die mein Tun bemerken? Warum hatte ich die Tür nicht eingehender gemustert, als die Kerze noch brannte? Und wenn es keine Stifte in den Scharnieren gab? Wenn sie zu schwer und eingerostet waren und sich nicht bewegen ließen? Voller Entsetzen und mit eiskalten Fingern tastete ich im Dunkeln nach der Türkante.

Kapitel 23
    D er Vollmond schien gedämpft durch die dicken, kleinen grünen Scheiben des Fensters in der Astrologenkammer. Mit Nicolas' Hilfe hatte Nostradamus den Raum für die große Wahrsagung vorbereitet, die die Königin angeordnet hatte. Die vier heiligen Namen waren mit dem Blut eines Täuberichs auf die Ecken des Zauberspiegels, eines Rechtecks aus poliertem Metall, geschrieben, und der Spiegel selbst war in ein jungfräuliches weißes Leinentuch eingeschlagen. Nostradamus zeichnete mit dem verkohlten Ende eines Kreuzes den zweifachen magischen Kreis und die heiligen Symbole, während Nicolas aufräumte, die Menschenknochen herauslegte und die Katze einfing und magnetisierte, die jetzt vollkommen steif, aber noch recht lebendig neben dem Schädel und dem Schienbein am Rand des Kreises lag. Draußen, im Wald hinter dem Schloß, schuhute eine Eule.
    »Die Königin wird um Mitternacht kommen«, sagte der alte Prophet. »Entschuldigt bitte, aber Ihr müßt möglichst weit weg von diesem Zimmer sein, wenn ich die Geister rufe. Wir befinden uns dann im magischen Kreis, Ihr jedoch nicht…«
    »Denkt an Sibille, ja?« bat Nicolas.
    »Wie könnte ich sie vergessen. So habt doch Vertrauen zu mir. Wenn Ihr die Königin fortgehen seht, kommt Ihr zurück, und ich erzähle Euch, wie es gelaufen ist.«
    »Maestro«, Nicolas setzte seinen Hut auf und fiel erneut vor dem alten Weisen auf die Knie. »Ich flehe Euch an, rettet meine Sibille, so will ich Euch ewig dankbar sein.«
    Sieh einer an, dachte Nostradamus, als er hinter dem jungen Mann herblickte, da sage noch einer, daß die Jugend keine Manieren mehr hat. Dieser Jüngling jedenfalls weiß, wie man einem Propheten Ehrerbietung erweist.
    Fünf Minuten vor Mitternacht stellte sich die gedrungene Gestalt in Schwarz vor der Tür der Astrologenkammer ein und gebot ihren Hofdamen, draußen zu warten. Der alte Doktor geleitete sie in den magischen Kreis. Er spürte das leise Beben, das ihre Hand durchlief; ihr ohnehin blasses Gesicht war kreideweiß.
    »Wo ist der Zauberspiegel?« fragte sie.
    »Dort auf dem Kaminsims, noch in Leinen gehüllt, Majestät«, erwiderte Nostradamus.
    »Wie… wirkt er?« fragte die Königin.
    »Ohne unsere Hilfe bewirkt er nichts. Erst müssen wir gewaltige Mächte beschwören. Um Eurer Sicherheit willen bleibt im magischen Kreis.« Ihre kleinen Froschaugen weiteten sich vor abergläubischer Ehrfurcht, doch sie betrat den Kreis entschlossenen Schrittes.
    »Ich will die Zukunft meiner Söhne und die des französischen Throns sehen«, sagte die Königin.
    »In dieser Hinsicht geht nichts über die Kraft des Spiegels«, sagte Nostradamus und enthüllte das stählerne Rechteck, das auf dem Kaminsims stand. Du dumme Frau, dachte der Prophet, die Versuchung war zu groß, wie? Wahrscheinlich hast du Menander gebeten, all deine Söhne zu Königen zu machen, und nun kann ich ausbaden, was er angerichtet hat. Und möglichst, ohne meinerseits geköpft zu werden. Na schön, Ehrfurcht und Angst sind mein bester Schutz. Mit einer ausladenden Geste streute er ein Kräutlein auf die glühenden Kohlen in einem kleinen Kohlebecken. Eine eigenartig riechende Rauchwolke stieg auf.
    »Was ist das?« fragte die Königin.
    Ach, dachte Nostradamus, wahrscheinlich willst du das selbst ausprobieren, sowie ich fort bin. Ich würde Euch eher dazu raten, Verse in Griechisch, Arabisch und Latein zu singen. »Das ist Safran, ein Duft, der dem Engel Anael, dem Bewahrer vergangener und künftiger Geschichte, besonders angenehm ist.«
    »Der Engel der Venus«, flüsterte die Königin. »Den habe ich auf meinem Talisman.« Ängstlich fingerte sie an dem magischen Anhänger, den sie um den Hals trug.
    »Er ist der Hüter der Geheimnisse, nach denen es Euch verlangt«, sagte Nostradamus. Als er

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