Die geheime Mission des Nostradamus
war weiß, schlank und behend wie der einer Zwanzigjährigen. Mit eiserner Disziplin hatte sich die kinderlose Mätresse diesen bleichen Abglanz einer jüngeren Gestalt bewahrt, während die Königin trotz des engen Schnürleibs mit Stahlstäben und juwelenbesetzten Kleidern ihren von jährlichen Schwangerschaften entstellten formlosen Leib nicht verbergen konnte. Du Intrigantin, du Ungeheuer, dachte die Königin. Wenn ich dich erst los bin, mache ich mich auch schön. Ich lasse Masseure kommen, lasse Liebestränke zubereiten. Dann reite ich bei großen Auftritten an der Seite des Königs, und bei jedem Turnier trägt er meine Farben und mein Motto, statt mich zu verstecken wie ein schmähliches Geheimnis. Heute schämt er sich bei meinem Anblick. Aber morgen wird er mich lieben.
Im vergoldeten Bett unter dem Guckloch verbanden sich die beiden beweglichen Leiber, der eine etwas dunkel behaart, der andere so weiß wie Milch, zu immer neuen phantasievollen Figuren. Die beiden Zuschauerinnen hatten solch ein Liebesspiel nie zuvor gesehen. Die Königin dort oben im Dunkel machte große Augen und rang leise nach Luft. Jetzt hatten die Liebenden eine neue Position eingenommen, die Mätresse bewegte sich lustvoll stöhnend auf dem König, der diese neue Variante ebenfalls zu genießen schien. Nie im Leben wäre die Königin auf die Idee gekommen, daß es solch leidenschaftliche Umarmungen, solch liebevolle Zärtlichkeiten gab. Warum wußte sie nichts davon? Warum hatte er sie nicht die Kunst der Liebe gelehrt? Standen ihr weder Leidenschaft noch Achtung zu? In vollendeter Harmonie hatten sich die beiden zur Seite gerollt, und dann glitten sie unter einem Schwall von Bettlaken zu Boden, als hätten sie diese graziöse Bewegung einstudiert. Dort, auf den kühlen, harten Fliesen des Fußbodens erlangten der König und seine Mätresse gemeinsam den Höhepunkt. Der leidenschaftliche Aufschrei Heinrichs II. hallte noch im Raum darüber wider, als seine Frau die Diele wieder an Ort und Stelle legte. Zornestränen, die im Dunkeln niemand sah, liefen ihr über das Gesicht.
»In all den Jahren, die wir jetzt verheiratet sind«, flüsterte sie, »hat er mich kein einziges Mal so berührt. Mein Haar – es war schön –, nie hat er es so gestreichelt, zehn Kinder, und er hat mich noch nie geküßt. Er kommt im Dunkeln und geht ohne eine Kerze. Wer bin ich, daß er mich wie eine Kuh behandelt und sie wie eine Frau?«
»Aber Majestät, Ihr seid die wahre Königin. Sie ist schließlich nur eine Königshure.«
»Ja, ich bin die Königin«, sagte die pummelige kleine Frau. »Ich bin die Königin, und sie ist es nicht.« Sie richtete sich auf und glättete ihre zerdrückten, staubigen Röcke. »Sieht er denn nicht, wie alt sie ist? Ich war vierzehn, als ich zu ihm gekommen bin. Mein Onkel, der Papst, hat mich in aller Pracht, in einer vergoldeten Galeere mit Sklaven in silbernen Ketten geschickt. Und wer war sie? Ein Niemand. Es muß der Ring sein, der ihn so blind macht. Der Ring, den sie ihm geschenkt hat. Dieser Ring muß von seiner Hand entfernt werden.« Und dann soll mir Cosmo einen Liebestrank brauen, dachte sie. Ich will endlich haben, was mir zusteht, statt mich mit den kalten Resten von der Reichen Tafel zu begnügen.
»Man muß lediglich den richtigen Augenblick abpassen«, meinte Madame d'Elbène.
»Wenn einer Warten gelernt hat, dann ich«, sagte die Königin und ordnete ihre kunstvoll gezwirbelten Locken. »Ich habe auf vieles gewartet. Dennoch…«
»Ja, Majestät?«
»Als ich jung war, hat man mich eine Schönheit genannt. Warum hat mich der König, mein Gemahl, nie so geliebt?«
Kapitel 1
Paris, 1556
G estrigen Tages Orléans verlassen. Gasthof Zu den drei Königen. Vermaledeites Gemäuer. Gasthof Zu den drei Räubern wäre ein ehrlicherer Name. Betten abscheulich. Frühstück, drei Sous. Ungenießbar. Hat mir die Eingeweide verknäuelt. Die Stadt selbst wird stark überbewertet. Griesgrämige Menschen. Hohe Preise. Zu viele Ketzer. Ein Horoskop für den Bischof erstellt. Habe den doppelten Preis genommen.
Paris durch die Porte St. Jacques betreten. Unweit der Rue de la Bûcherie blockierte mir eine unleidliche Studentenhorde von der medizinischen Fakultät den Weg. Wurden unhöflich, als ich sie aufforderte, die Straße freizugeben. Beschimpften meine Robe, die nicht die ihrer Fakultät war. Rufe, ich sei ein fremdländischer Kurpfuscher, Angebote für einen kostenlosen Aderlaß und andere Dinge, die zu derb
Weitere Kostenlose Bücher