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Die geheime Reise der Mariposa

Die geheime Reise der Mariposa

Titel: Die geheime Reise der Mariposa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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Welt, das war bekannt. »Wer verdächtigt einen Onkel, der mit einem netten kleinen Jungen und einem englischen Pass aus Europa flieht? Nun, der nette kleine Junge ist ihm abhandengekommen. Er ist unterwegs mit einem, der alle Deutschen hasst, auf dem Schiff eines Toten, in dessen Kajüte plötzlich Pistolen auftauchen.«
    In diesem Moment tauchte noch etwas auf. Es tauchte in einer der Lücken zwischen den Felsen auf, durch die Jonathan hinaus aufs Meer sehen konnte, und es war ein Schiff. Ein grauer Militärsegler. Die Roosevelt war zurückgekommen. Er beobachtete mit rasendem Puls, wie sie näher kam, wie sie sich der Küste näherte – und atmete auf, als sie einige Hundert Meter entfernt vor einem anderen Felsen ihre Fahrt stoppte, einem flachen Felsen, über den man die Insel trockenen Fußes erreichen konnte. Dort machten die Männer das Schiff mit einem dicken Tau fest, das sie um ein Stück des Felsens schlangen: Sie hatten einen natürlichen Hafen gefunden. Aber sie waren nicht gekommen, weil sie einen besonders hübschen Hafen gesucht hatten. Sie waren gekommen, weil sie etwas anderes suchten. Etwas, das ihnen entkommen war.
    Er sah ihre Uniformen, und er fragte sich nicht zum ersten Mal, warum Männer in amerikanischer Uniform hinter José her waren: José, der die Amerikaner vergötterte, der so gern mit ihnen in den Krieg gezogen wäre … Er sah, wie sie zielstrebig die Küste hinaufgingen. Über ihren Schultern lagen Gewehre.
    Jonathan war sich jetzt sicher, dass sie die Mariposa in ihrem Versteck nicht gesehen hatten. Aber vielleicht hatten sie etwas anderes gesehen. Vielleicht hatten sie José gesehen, wie er im Unterholz verschwunden war.
    Die Hitze im Inneren der Insel umgab José wie ein lebendiges Wesen. Sie waberte zwischen den niedrigen Büschen und Farnen umher, schloss ihn ein und setzte sich auf ungewohnte Weise in seine Lungen. Schon zwei Tage auf dem Wasser hatten ihn die Hitze beinahe vergessen lassen.
    Während der letzten Monate hatte sich die graue Geisterlandschaft der Küsten in einen großblättrigen Streifen niedrigen Grüns verwandelt, aber es wuchsen nur wenige Bäume darin, die Schatten spendeten. Er sah zum Himmel. Der Regen blieb seit zwei Wochen aus.
    Die Wolken, die in den letzten Nächten das Mondlicht gestohlen hatten, waren weitergezogen, ohne abzuregnen. José dachte an die Farm zu Hause und an Mama Carmelita, die ebenfalls auf den Regen wartete. Dann dachte er an die Wasserkanister auf der Mariposa. Wenn es nicht mehr regnete, würde das Wasser nicht ausreichen. Nicht für zwei Leute …
    Es raschelte vor ihm im Gebüsch und er blieb stehen. Ein Leguan tauchte aus den Sträuchern auf, reckte den gelben Kopf und sah José erwartungsvoll an, wie ein Hund, der auf ein Stück Wurst hoffte. José lächelte erleichtert. »Ich habe nichts für dich«, sagte er. »Ich kenne euch Bettler von zu Hause. Verschwinde!«
    In diesem Moment raschelte es wieder, näher diesmal, und eine panische Explosion aus bunten Federn brach neben José aus dem Unterholz. Etwas war durch den Wald unterwegs, etwas Großes, das die anderen Tiere erschreckte. José sah sich um. Er musste ein ganzes Stück gestiegen sein. Hier gab es mehr Grün, lange Bartflechten bedeckten die Guavenbäume. Zwischen den bemoosten Stämmen raschelte es noch einmal. Was da raschelte, befand sich hinter einem dichten Gestrüpp voll weißer Blüten. »Schicksalsbäume« hießen die Pflanzen bei den Leuten von den Inseln. José nahm das Gewehr von der Schulter.
    Vorsichtig teilte er die Zweige und pirschte sich hindurch, das Gewehr im Anschlag. Was da vor ihm Äste brach und Blätter zertrat, besaß die ungefähre Größe und Höhe eines Menschen. War einer der Siedler von der anderen Seite der Insel hier im Wald unterwegs?
    Nein, sagte sich José, vermutlich handelte es sich um ein Tier. Ein Tier, das er schießen konnte. Er schlüpfte unter den letzten weiß blühenden Zweigen hindurch und stand auf einer Lichtung. Schwarze Lavafelsen säumten sie, überwuchert von den grünen Ranken und den faustgroßen duftenden Blüten einer Passionsblume. Und mitten auf der Lichtung stand das, was geraschelt hatte, und sah José entgegen.
    Jonathan wartete lange auf José.
    Er fand einen Eimer unter Deck und füllte ihn mit Meerwasser, um den Kaffeetopf und die beiden Suppenlöffel zu waschen. Und wartete. Er ordnete die Dosen auf den Regalen der Größe nach. Und wartete. Er wechselte Oskars Verband. Und wartete. Ab und zu warf er

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