Ab heute alles anders
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|7| »Bringt das was?«
Es ist dunkel in der Sporthalle der Justizvollzugsanstalt Wolfenbüttel, ein Beamer hat ein großes buntes Bild von mir an die kalte Wand projiziert, auf dem ich in der Atacama-Wüste in Chile zu sehen bin. Es ist gerade einmal ein paar Monate her, dass ich mich bei meiner Panamericana – Aids Awareness Expedition auf dem Rad durch dieses heiße Stückchen Erde gekämpft habe. 900 Kilometer Wüste, nur ein Bruchteil der 23 000 Kilometer langen Strecke, die mich mit meinem Team von Alaska nach Feuerland bringen sollte. Ein Gewaltakt in 35 Tagen, um mehr Aufmerksamkeit für Millionen von Aids betroffene Straßenkinder zu erzielen. Und nun stehe ich in diesem geschichtsträchtigen Gebäude, um wieder einmal über Veränderung und Motivation zu sprechen. Der Glaube an die eigene Kraft! lautet das Thema meines Vortrags, mit dem ich mich in den nächsten anderthalb Stunden an ein auch für mich ungewöhnliches Publikum wende.
»Meinst du, das bringt was?«
Diese Frage hatte ich in den Tagen zuvor oft gehört, als ich von meinem geplanten Auftritt im Knast erzählte. Fast immer überlege ich in solchen Augenblicken für einen Moment, ob ich den Fragesteller ernsthaft und mitreißend mit meiner Lebenseinstellung konfrontiere. Ich tue es inzwischen meistens nicht mehr, signalisiert mir diese Art von Fragen doch, dass kein wirkliches Interesse an einer Antwort vorhanden ist. Diese Frage ist allerdings eine |8| gute Gelegenheit, um zu erklären, warum dieses Buch entstanden ist. Vielleicht wird manch einer Leserin oder einem Leser dabei auch bewusst, dass er oder sie sich eigentlich in einer komfortablen Startposition befindet, um zu beschließen: »Ab heute alles anders!«
Stellen Sie sich vor, im Publikum in der Justizvollzugsanstalt säße ein Mensch, einige Kilogramm zu viel auf den Hüften, Raucher, mehrfach wegen Drogendelikten vorbestraft und verurteilt. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Vortrag von 90 Minuten Länge, mit einigen mahnenden Worten und schönen Bildern meiner Karriere unterlegt, diesen Menschen dazu motivieren könnte aufzustehen, seine Zigaretten wegzuwerfen, im Gefängnishof seine Laufrunden zu drehen und auf diesem Weg allmählich zu einem Unterstützer des ersten deutschen Gefängnismarathons zu werden? Glauben Sie, dass dieser Mensch drei Monate später auf einer 1 000 Meter langen Runde im Gefängnishof seinen ersten Marathon in drei Stunden und 38 Minuten absolvieren könnte? Denken Sie, dass dieser Mensch, mit den richtigen Beratern und echten Freunden an seiner Seite, vorzeitig das Gefängnis verlassen und in einem der erfolgreichsten Expeditionsteams der Welt aktiv werden könnte? Genau dies ist passiert! Und deshalb huscht mir nach wie vor ein Lächeln über das Gesicht, wenn mich wieder einmal jemand fragt, ob meine Arbeit »was bringt«.
Vielleicht ahnen Sie nun schon, was auf den folgenden Seiten auf Sie zukommt. Wenn Sie sich nicht »erwischen« lassen und doch lieber gar nichts ändern möchten, sollten Sie am besten nicht weiterlesen. Wollen Sie sich also im Wortsinn auch weiterhin nicht bewegen, um dann irgendwann tatsächlich stehen zu bleiben, dann verwenden Sie dieses Buch einfach als dekoratives Element in Ihrem Bücherregal.
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|9| Von dem Wunsch nach Veränderung
Ich möchte mich vorstellen: Ich bin 47 Jahre alt, mit 18 habe ich den Beruf des Werkzeugmachers erlernt. Vor 15 Jahren war ich an einem Punkt angelangt, an dem in meinem Leben eine ganze Menge nicht mehr stimmte. Ich war nicht zufrieden mit dem, was ich erreicht hatte. Wie auch, denn was war aus mir geworden? Ich war zu dick, wog fast 120 Kilogramm und rauchte wie ein Schlot. Ich hatte Schulden, einen großen »Freundeskreis« und konnte einiges an Alkohol vertragen. Ich arbeitete im Zwei- und Dreischichtsystem bei einem der größten Automobilkonzerne der Welt. Aber ich wollte mein Leben verändern, dringend, denn ich brauchte neue Ziele, neue Herausforderungen.
Heute, mit 47 Jahren, bin ich, so sagt man, erfolgreicher Extremsportler und Abenteurer und war schon in der ganzen Welt unterwegs. Ich kämpfe gegen eine der schlimmsten Geißeln der Menschheit, gegen Aids, und das tue ich auf ungewöhnlichen Wegen. Ich selber bin nicht mit dem HI-Virus infiziert und auch nicht homosexuell, finde aber, dass das Thema HIV und Aids eine große |10| Aufmerksamkeit verdient, insbesondere angesichts der steigenden Anzahl von Infektionen.
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