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Die geheime Reise der Mariposa

Die geheime Reise der Mariposa

Titel: Die geheime Reise der Mariposa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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schwieg. Es war, als wäre auch ihre Stimme von der Insel geflohen. Nie war José so allein gewesen.
    Marit hatte gedacht, es wäre einfach, José wiederzufinden. Aber nachts sah alles anders aus und das Beben des Bodens verwirrte sie. Sie irrte eine ganze Weile zwischen den geduckten Gestalten der Büsche umher. War es nicht dieser Baum da vorn, an den Waterweg José gefesselt hatte? Oder eher der da drüben? Wie still es war! Beunruhigend still. Nur der Wind flüsterte ihr leise Warnungen zu. Sie wagte nicht, Josés Namen zu rufen, denn der Nachtwind wehte von der Insel fort, und er würde ihre Stimme hinaus in die Bucht tragen, wo Waterweg schlief. Schlief er noch? Oder war er ihr schon auf den Fersen?
    »Nachtwind«, wisperte Marit, »hast du meinen Bruder mit fortgenommen?«
    Sie hatte keine Antwort erwartet. Aber jemand antwortete, jemand, der ganz nahe war.
    »Nein«, sagte er. »Der Nachtwind hat meine Schwester zu mir gebracht.«
    Marit schlüpfte durch die dichten Äste, ohne ihre Dornen zu spüren. Und da saß José, genau so, wie sie ihn verlassen hatte: an einen Baumstamm gelehnt, die Hände hinter dem Rücken an den Stamm gefesselt. Er musste zu ihr aufsehen, als sie vor ihm stand. Sie sah, dass ihm das nicht gefiel.
    Und sie sah, dass er Angst hatte.
    »Du hast gedacht, ich komm nicht wieder, stimmt’s?«, sagte sie. »Du hast gedacht, ich bleibe bei ihm, bei Waterweg. Er hat mich eingesperrt. Carmen hat mir den Weg nach draußen gezeigt. Eigentlich hat sie einen Weg nach drinnen gesucht. Zu einem Stück Brot. Und Uwe hat auf mich gewartet.«…Sie holte tief Luft. »Jedenfalls bin ich hier, um dich zu befreien.«
    José nickte. Jetzt, dachte Marit, würde er ihr sagen, wie leid es ihm tat, dass er sie angeschrien hatte. Wie froh er war, dass sie hier war. José räusperte sich.
    »Wer ist Uwe?«, fragte er dann.
    Da begriff Marit, dass Waterweg mit einem recht gehabt hatte: José lebte in einer anderen Welt. In dieser Welt waren die Männer zu stolz, um sich zu entschuldigen.
    »Ein Leguan«, sagte sie und reichte José die Wasserflasche. Zu ihrem Erstaunen lehnte er ab.
    »Wir müssen hier weg«, sagte er. »Etwas wird geschehen. Die Tiere sind geflohen. Kannst du die Fesseln lösen? Waterweg hat mir auch das Messer abgenommen …«
    Marit verbiss sich einen Fluch und begann die Knoten einzeln zu öffnen. Es dauerte eine Ewigkeit. José zuckte zurück, wenn sie die Schnitte in seinen Händen berührte, und sie fluchte zwischen zusammengebissenen Zähnen. »Halt still, verdammt … Jetzt! Jetzt kannst du deine Hände bewegen. Sie gehören wieder dir.«
    Sie zog José auf die Beine, und zum ersten Mal fiel Marit auf, dass sie genau gleich groß waren.
    »Du hast gesagt, wir müssen hier weg«, flüsterte sie. »Wie denn? Mit der Mariposa? Mit Casaflora? Wird er uns mitnehmen?«
    »Nein.« José schüttelte den Kopf. »Er hat Angst vor Waterweg. Waterweg würde nicht wollen, dass er uns mitnimmt.«
    Er hob die Mauser auf, die immer noch dort lag, wo Waterweg sie mit dem Fuß hingeschoben hatte. »Und Waterweg hat mein Magazin.« José ließ das Gewehr fallen. »Es ist wertlos. Wir können Casaflora zu nichts mehr zwingen.«
    Ein Grollen lief durch die Insel, und sie hielten sich aneinander fest, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Als das Grollen verebbte, näherten sich Schritte durchs Geäst.
    »Waterweg«, zischte Marit. José nickte.
    Sie duckten sich gleichzeitig und schlüpften zwischen Ästen hindurch, rannten, flohen durch die plötzlich seltsam warme Nacht. Hinter ihnen wurden die Schritte rascher, holten auf … Sie kamen vom Meer, die Schritte, und Marit und José flohen ins Innere der Insel, wo der Boden anstieg.
    Ein seltsamer Geruch erfüllt jetzt die Luft, er erinnerte Marit an das Innere der Kirchen zu Hause. Ihr Verfolger war hinter ihnen zurückgeblieben, Marit hörte ihn nicht mehr.
    Sie blieb stehen. »Warte!«, keuchte sie. »Was … was ist das?«
    José schnupperte. »Balsaholz«, antwortete er. »Es ist Balsaholz. Die Balsabäume brennen.«
    Da sah auch Marit den hellen, größer werdenden Lichtschein des Feuers, ganz oben auf dem flachen Hügel.
    »Die Hitze«, sagte José. »Die Hitze muss das Öl in ihnen entzündet haben. Das ist es, was auf der Insel nicht stimmt. Die Tiere haben es geahnt.«
    In diesem Moment kamen die Schritte wieder. Der, der hinter ihnen her war, hatte sie reden hören. Es war zu spät, davonzulaufen. Und es gab keine Richtung mehr, in die man

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