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Die geheime Reise

Titel: Die geheime Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Abedi
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Großmutter die Arbeit alleine nicht mehr schaffte.
    »Es ist trotzdem herzlos«, sagte die Großmutter, die jetzt neben Jo auf dem Beifahrersitz saß, »sie am heiligen Fest allein zu lassen.«
»Sie ist nicht allein«, schnappte Jo zurück. »Die Pflegerin ist bei ihr. Und nach all dem, was sie dir angetan hat, ist es mir noch immer schleierhaft, wie du dich all die Jahre um sie kümmern konntest.«
    Wanja kannte nur wenige Geschichten aus der Kindheit ihrer Großmutter, aber schön war keine von ihnen. Wanja konnte sich kaum vorstellen, dass die herrschsüchtige Frau, die ihre siebenjährige Tochter geschlagen hatte, wenn sie schlechte Noten nach Hause brachte, ihre Uri war.
    Wie ein Fremdkörper stand die Großmutter in Jos und Wanjas Wohnzimmer, und als sie mit dem Zeigefinger über das Bücherregal wischte und Jos Blicke wie Pfeile in ihre Richtung schossen, wünschte Wanja die Feiertage zum Teufel.
    Dieser Wunsch wuchs, als die Großmutter mit gerümpfter Nase ihre Tütensuppe löffelte, sich mit vorwurfsvoller Stimme erkundigte, ob das Kind auch manchmal ein ordentliches Essen vorgesetzt bekäme, und den eisigen Blicken ihrer Tochter mit einem beleidigten Man-wird-doch-wohl-noch-fragen-dürfen-Ausdruck begegnete.
    Doch am nächsten Tag geschah etwas Unerwartetes. Flora kam, während Wanja mit ihrer Großmutter in der Küche stand und ihr half die Gans im Ofen mit Bratensaft zu übergießen. Der Duft zog durchs ganze Haus. Jo hatte sich hingelegt. Als Flora in die Küche trat, erhellte sich das Gesicht von Wanjas Großmutter. Flora hatte Jo und Wanja oft besucht, als sie beide noch bei den Großeltern lebten. Als Flora der Großmutter jetzt ein Küsschen auf die Wange gab, fühlte Wanja einen leichten Stich. Wie anders Jos Verhältnis doch zu ihr war.
»Und du gehst jetzt bitte auf dein Zimmer, Kind«, sagte die Großmutter zu Wanja. Floras roter Lippenstiftmund verzog sich zu einem breiten Grinsen. »Hast du nicht gehört? Ab aufs Zimmer. Hopp, hopp. Und fröhliche Weihnachten. Sag Jo schöne Grüße, ich fahre gleich zu meinen Eltern aufs Land. Wir sehen uns Silvester.«
Wanja hörte, wie die Wohnzimmertür sich öffnete und wieder schloss. Kurz darauf schnappte die Haustür zu, und während des ganzen köstlichen Essens lag auf dem Gesicht der Großmutter ein Lächeln.
Nach dem Essen verschwand sie im Wohnzimmer. Ein Glöckchen klingelte. Jo und Wanja traten ein. Die Großmutter hatte die Kerzen am Baum angezündet. Es war ein schöner Baum, aber Wanja hatte nur Augen für den davor stehenden Korb. Und Ohren für das leise Maunzen, das aus seinem Inneren kam.
Jo griff nach Wanjas Hand und ließ sie gleich wieder los. Dann ging sie langsam auf den Korb zu und öffnete ihn. Ein kleines graues Katzenkind sprang heraus.
»Fröhliche Weihnachten«, sagte die Großmutter und jetzt wusste Wanja, warum Flora vorhin so gegrinst hatte. Wahrscheinlich hatte sie das Kätzchen im Auftrag der Großmutter besorgt. Aus Jos Augen kullerten die Tränen und Wanja war mit einem Satz bei ihr.
    Als sie später beisammensaßen, lag das Kätzchen auf dem Schoß von Wanjas Großmutter. Neben ihr saß Jo, den Arm um die Schultern ihrer Mutter gelegt. Beide blickten selig auf das Kätzchen herab, das sich mit seiner rosa Zunge die winzigen hellgrauen Pfoten putzte. Jos schwarze Locken berührten das weiße Haar der Großmutter. So nah hatte Wanja die beiden noch nie beieinander gesehen. »Deine Mutter war ein Vaterkind«, hatte die Großmutter oft zu ihr gesagt. Und Wanja? War sie ein Vaterkind? Wäre sie ein Vaterkind gewesen?
Wieder drängte sich Taro in den glücklichen Moment. Fast zwei Wochen waren seit dem letzten Mal vergangen, trostlose, quälend eintönige Wochen, in denen Wanja die Sorge um Taro manchmal so sehr zusetzte, dass sie in der Nacht schweißgebadet aufwachte. Auch der Vogel drängte sich in ihre Träume. Eine Nachricht hatte sie noch nicht erhalten und das Einzige, was Wanja beruhigte, war das Wissen um die andere Zeit, die im Bild herrschte. Wenn sie und Mischa nicht bei Taro waren, waren die Stunden in ihrer Welt nur Minuten in seiner. War ein Tag in ihrer Welt nur eine Stunde in seiner. War ein Monat in ihrer Welt nur ein knapper Tag in seiner. Das predigte Wanja sich vor, wieder und immer wieder.
    Wanjas Großmutter blieb bis zum 30. Dezember und all die Tage stand Paula im Mittelpunkt. Jo hatte das Kätzchen so getauft und Wanja hielt es Mischa an den Apparat, als er am zweiten Weihnachtstag anrief. Paulas

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