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Die geheime Reise

Titel: Die geheime Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Abedi
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Küche geworfen.«
Britta nahm eine Haarsträhne zwischen ihre Finger und betrachtete mit gerunzelter Stirn ihre Haarspitzen. »Bei den Sachen, die sie so von sich gibt, ist das ja wohl auch kein Wunder. Oder soll mein Paps sie für ihr freches Mundwerk noch belohnen?« Den Ausdruck »freches Mundwerk« hatte Britta von ihrem Vater übernommen, auch die Betonung auf »frech« war exakt die von Herrn Sander.
»Ach, komm schon.« Wanja verdrehte die Augen. »Er muss sie doch nicht bestrafen wie einen Hund. Das mit dem Giraffenpipi war doch voll lustig. Ich finde, ein bisschen mehr Humor könnte dein Vater schon haben.«
Das war der Auslöser. Britta wirbelte ihren Kopf zu Wanja herum.
»Erzähl du mir nicht, wie mein Vater zu sein hat«, zischte sie. »Du weißt ja nicht mal, wie deiner aussieht.«
Nach diesen Worten saß Wanja eine Weile reglos da und starrte Britta an. Hinter ihren Augen pochte etwas. Britta wich ihrem Blick aus und sah angestrengt zu Boden, als versuche sie die Worte, die ihr da herausgerutscht waren, wieder aufzulesen. Aber dafür war es zu spät. Ohne noch etwas zu sagen, raffte Wanja ihre Schulsachen zusammen und lief aus dem Haus.
Draußen goss es plötzlich in Strömen und ein kalter, völlig unfrühlingshafter Wind pfiff ihr um die Ohren. Britta wohnte dicht bei der Schule, aber diesmal kam Wanja der lange Heimweg gerade recht. Sie schnallte sich die Schultasche auf den Rücken und lief los. Der Regen peitschte ihr ins Gesicht und vermischte sich mit den Tränen, die ihr jetzt über die Wangen liefen. Wanja rannte, als wolle sie vor sich selbst davonlaufen: durch die kleinen Seitenstraßen von Brittas Wohnviertel, über die Kreuzung auf den schmalen Fußgängerweg der vierspurigen Hauptstraße, vorbei an Tankstellen, FastfoodRestaurants, Möbelhäusern und dem riesigen Babymarkt, hinter dem der unscheinbare Waldweg abging, der zu ihrem Haus führte. Morgens waren dort oft Jogger unterwegs, nachmittags führten alte Damen ihre Hunde spazieren und an den Wochenenden Elternpaare ihre Kinder. Heute Nachmittag hatte Wanja den Wald für sich allein. Sie bog vom Weg ab. Der Regen trommelte auf die Blätter der Bäume und Wanjas Füße schlugen den Takt. Schnell und rhythmisch liefen sie über den matschigen Waldboden, zerknackten Zweige und patschten durch Pfützen. Von irgendwoher ertönte ein Vogelschrei.
Als Wanja vor dem letzten Hügel stehen blieb, um zu verschnaufen, schwebte vor ihr etwas Schwarzes zu Boden. Wanja beugte sich vor und stützte keuchend die Hände auf die Knie. Das Atmen tat ihr in der Brust weh; so schnell und so ausdauernd war sie schon lange nicht mehr gelaufen. Das schwarze Etwas, das jetzt genau vor ihren Füßen lag, war eine große Vogelfeder. Eine ungewöhnlich große Feder. Wanja hob sie auf und strich mit dem Finger darüber. Warm und weich fühlte sich die makellose, glänzende Oberfläche an. Aber seltsamerweise war die Feder völlig trocken, obwohl es bis eben wie aus Eimern gegossen hatte. Wanja hob den Kopf und runzelte die Stirn. Der Regen schien sich aufzulösen. Durch die grün glitzernden Baumkronen stachen schon die Sonnenstrahlen. Auch der Wind hatte nachgelassen. Ein Vogel war nicht zu sehen. Kopfschüttelnd steckte Wanja die Feder in die Tasche ihrer Jeansjacke und lief weiter. Dass ihr Schlüssel im Gulli lag, fiel ihr erst zu Hause ein.
Zum Glück stand Jos Fenster offen. Ihr Zimmer lag zwar im ersten Stock, aber Wanja konnte über den Apfelbaum, der davor stand, hineinklettern. Auf seinem dicken, bis ans Fenster ragenden Ast war sie schon als Sechsjährige herumgeturnt, zum Schrecken ihrer Nachbarn. Aber Jo war in dieser Hinsicht eine ungewöhnlich gelassene Mutter und an Wanjas Vorliebe für gefährliche Kunststücke gewöhnt. Gewandt stieg Wanja am Stamm empor, hangelte sich an dem Ast entlang und schwang sich aufs Fensterbrett. Geschafft.
In der Küche stand noch Frühstücksgeschirr herum. Die Orangensaftpackung auf dem Tisch war leer wie der Kühlschrank, den Wanja auf der Suche nach etwas Trinkbarem aufriss. Die Regentropfen, die aus ihren braunen Locken, ihren Ärmeln und ihren Hosenbeinen rannen, bildeten auf dem Boden bereits einen kleinen See.
»Brrrrrrh.« Die Küchentür öffnete sich und Schröder schob seinen dicken roten Bauch in die Küche.
»Na Dicker, auch Durst?« Wanja nahm ihren Kater auf den Arm, worauf sich die Lautstärke seines Schnurrens schlagartig verdoppelte. Schröder war ein ungewöhnliches Tier. Liebesbedürftig wie ein

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