Die geheime Sammlung
wollte mich nicht mit ihr anfreunden. Sie war genauso gemein wie die Schüler, die sie auf dem Kieker hatten, nur nicht so mächtig. Und würde ich mich zu ihr setzen, hätte ich keine Chance mehr, andere Freunde zu finden.
Ich sah mich nach anderen Möglichkeiten um und entdeckte Katie Sanduski, ein Mädchen aus meinem Französisch-Kurs. Aber an ihrem Rucksack lehnte ein aufgeschlagenes Buch und sie wirkte ziemlich geistesabwesend.
An einem Tisch am Fenster saßen drei Mädchen aus meinem Mathe-Kurs, unterhielten sich, lachten und bewarfen sich ab und zu mit Cornflakes.
Sollte ich Katie beim Lesen stören? Oder sollte ich versuchen, mich dem fröhlichen, Cornflakes werfenden Trio anzuschließen?
Ich entschied mich für Katie. Es schien einfacher, eine Person zu stören, als drei. Aber als ich mich gerade entschieden hatte, klappte Katie das Buch zu, stand auf und räumte ihr Tablett weg.
Mir blieb keine Wahl. Maddie, Samantha und Jo. Also riss ich mich zusammen und wühlte mich in ihre Richtung. Doch noch ehe ich sie erreicht hatte, setzten sich drei weitere mir unbekannte Mädchen kreischend an den Tisch und besetzten die letzten freien Plätze.
Resigniert drehte ich mich zur Seite und setzte mich auf den nächsten freien Platz. Ein paar Schüler schauten in meine Richtung und dann wieder weg. Eine Pfütze verkleckerter Limo trennte mich von ihnen. Ich aß so schnell, wie ich konnte, und verließ die Cafeteria.
Bei Gemeinschaftskunde war ich zehn Minuten zu früh. Als ich durch das Fenster in der Tür schielte, sah ich Mr.Mauskopf allein an seinem Pult sitzen.
Er sah mich auch und winkte mich mit seinem langen Arm heran. »Komm rein, Elizabeth.«
»Hallo, Mr.Mauskopf.« Ich schloss die Tür hinter mir. »Wollen Sie meine Hausaufgaben sehen?«
»Danke. Und? Hast du den Job im Archiv angenommen?«
Ich nickte. »Am Dienstag fange ich an.«
»Und wie findest du es bis jetzt?«
»Ziemlich interessant«, sagte ich.
Merkwürdig
war das Wort, das ich eigentlich hatte sagen wollen, aber ich fand es ihm gegenüber nicht passend. »Diese Abertausenden von Gegenständen. Die Leute da scheinen wirklich nett zu sein. Ms.Callender ist so freundlich. Und das Gebäude ist auch cool, die marmornen Böden und die verzierten Türen. Innen ist es so viel größer, als es von außen aussieht.«
»Hast du die berühmten Tiffany-Fenster schon gesehen?«
»Nein. Mein Vater hat sie erwähnt, aber ich habe sie noch nicht gesehen. Wo finde ich sie denn?«
»Im Hauptuntersuchungsraum.«
»Oh. Der liegt wohl in der medizinischen Abteilung?«
Mr.Mauskopf lachte, obwohl ich gar keinen Witz hatte machen wollen. »Schau sie dir beim nächsten Mal auf jeden Fall an«, sagte er. »Sie sind phantastisch.«
Dann kam der Rest der Schüler vom Mittagessen und die Stunde begann.
An diesem Nachmittag wünschte ich mir mehr als je zuvor, Freunde an der Schule zu haben, denn niemand außer mir bemerkte das große Ereignis des Tages: Der großartige Marc Merritt grüßte mich im Korridor. Zumindest dachte ich, dass man es grüßen nennen konnte; denn er sagte nichts, sondern nickte mir zu.
Ich nahm das als Erlaubnis, »Hi, Marc« zu sagen. Allerdings war er mit ein paar von seinen hoch aufgeschossenen Freunden da, und ich verwarf meinen Plan. Als sie weitergingen, hörte ich ihn sagen: »Ein Mädchen aus Gesundheitserziehung.«
Als ich am Dienstag in die Bibliothek kam, saß Anjali an der Ausleihstelle. Sie schickte mich nach oben zu Ms.Callender in Magazin 6 , wo die Büros der Bibliothekare lagen – mit Ausnahme des Zimmers von Dr.Rust.
Ms.Callender zeigte mir die Stechuhr, eine kastenförmige Maschine an der Wand neben einer Kartenablage, auf der Namen standen. Ich fand meine Karte und steckte sie in den Rachen der Stechuhr. Die Maschine stempelte die Zeit mit wildem Biss auf die Karte.
»Ich lasse dich in der Zwei anfangen, bei Kleidung und Textilien«, sagte Ms.Callender, während sie den Fahrstuhlknopf drückte. »Magazin zwei war immer eines meiner liebsten, als ich selbst noch Page war. Wenn du unbedingt etwas anprobieren willst … nun, ich werde es niemandem sagen. Ich konnte nie widerstehen, als ich in deinem Alter war. Bleib einfach bei Baumwolle, Leinen und Wolle, die sind relativ robust. Und achte darauf, die richtige Größe zu nehmen, damit du nichts zerreißt.« Sie zwinkerte mir zu.
Wir gingen durch eine Feuertür in einen langen dämmrigen Raum; wie Magazin 9 , nur viel dunkler. »Wieso ist es hier so dunkel?«,
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