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Die geheime Sammlung

Die geheime Sammlung

Titel: Die geheime Sammlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polly Shulman
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die Maschine erwachte knurrend zum Leben. Er drehte sie herum, so dass die Tülle auf Marc wies.
    »He! Willst du den nicht vorher testen?«
    »Wenn du möchtest. Was soll ich schrumpfen?«
    Ich gab ihm meinen Pullover. Es war der meiner Schwester, den ich auftragen musste, und er war mir zu groß. Ich hatte sogar schon darüber nachgedacht, ihn im Trockner einlaufen zu lassen.
    Aaron zeigte mit dem Schrumpfstrahler darauf und drehte an einem Regler. Ein grüner Strahl kam herausgeschossen. Der Pullover wand sich wie ein Ballon, dem die Luft ausgeht, und in wenigen Sekunden war er nur noch halb so groß.
    Aaron drehte an einem anderen Regler, und das Schrumpfen verlangsamte sich. Das Winden auch. Der Pullover schwenkte seine Ärmel nur noch langsam hin und her, als ob er Tang oder eine Seeanemone in einer Unterwasserdokumentation wäre.
    Ich nahm ihn an mich. Er sah aus, als ob er einer Barbiepuppe passen könnte. Ich staunte über die feinen Details mit fehlerlos aufgenähten Knöpfen und winzigen Stichen.
    »Probier mal die Vergrößerungsfunktion aus – damit wir sicher sind, dass du ihn wieder auf die richtige Größe bringen kannst«, schlug ich vor.
    Aaron drehte an ein paar Reglern herum und schaltete den Schrumpfstrahler wieder an. Dieses Mal war sein Licht rot. Der Pullover blähte sich auf und beulte sich aus. Es sah aus wie ein unterseeischer Vulkanausbruch.
    »Das genügt«, sagte ich.
    »Aber es ist noch nicht fertig«, wandte Aaron ein.
    »Hör auf! Sofort!« Ich beugte mich vor und stellte den Hebel auf Aus. Das Licht erlosch.
    »Warum hast du das gemacht? Er ist erst bei vierundneunzig Prozent«, meinte Aaron.
    »Er war mir zu groß«, sagte ich und zog den Pullover an. Er saß immer noch ein klein wenig locker, aber es war lange nicht mehr so schlimm wie vorher. Vielleicht würde ich sogar hineinwachsen.
    »Bist du bereit, Marc?«, fragte Aaron und schaltete den Schrumpfstrahler wieder ein.
    Das grüne Licht schoss heraus, aber Marc schien nicht zu schrumpfen. »Klappt es?«, fragte ich.
    Marc zuckte mit den Schultern.
    »Gebt ihm etwas Zeit«, sagte Aaron.
    Wir gaben ihm etwas Zeit. Nichts passierte. Nach einer Minute verstellte Aaron ein paar Einstellungen, aber es passierte immer noch nichts.
    »Ich hab’s!«, rief ich. »Es ist Jayas Knoten – er beschützt uns, weißt du noch? Ich musste meinen auch abnehmen, bevor Dr.Rust mir meinen Richtungssinn abnehmen konnte.«
    »Stimmt ja«, sagte Marc und knabberte auf dem Knoten herum.
    »Nicht so«, sagte ich. »Du machst dir die Zähne kaputt. Du musst ihm sagen, dass er abgehen soll. In Reimen«, fügte ich hinzu.
    »Also, Knoten, es wird eng: weg von meinem Handgelenk«,
befahl Marc, wobei er wie ein Rapper sang. Der Knoten löste sich.
    Aaron ließ die Maschine wieder an. »Klappt es jetzt?«, fragte er.
    »Ich glaube schon«, antwortete Marc. »Fühlt sich komisch an.« Er klang auch komisch.
    »Schau mal, es funktioniert wirklich«, sagte ich. Marc war jetzt so groß wie ich und wurde immer kleiner, wobei er immer wieder zusammenzuckte.
    »Ist alles in Ordnung?«, fragte ich ihn.
    »Ja, schon. Fühlt sich aber seltsam an. Es kitzelt in den Knochen, wo ich mich nicht kratzen kann.«
    »Reicht das?«, fragte ich. Marc war jetzt so groß wie eine Coladose.
    »Schauen wir mal«, meinte Aaron. Er schaltete den Schrumpfstrahler aus und stellte einen Pneu neben Marc. »Passt du da rein?«
    Marc öffnete das Schubfach und versuchte, sich hineinzuquetschen. »Zu eng«, quietschte er. Seine Stimme klang dünn und war höher als sonst. Er sah aus wie eine perfekte Puppe von sich selbst, mit erstklassig gearbeiteten Armen und Beinen und winzigen Schuhen. Er kam aus dem Pneu heraus und streckte sich anmutig wie ein Miniatur-Tiger. Ich ertappte mich bei dem Wunsch, ihn mit nach Hause nehmen und behalten zu können.
    Aaron richtete den Strahl ein paar zusätzliche Sekunden lang auf Marc. »So besser?«
    Marc versuchte erneut, in den Pneu zu gelangen. Dieses Mal passte er. »Wunderbar.« Er kletterte wieder heraus.
    Jetzt war ich an der Reihe. Ich besprach meinen Knoten, so dass er sich von meinem Handgelenk löste, und stellte mich zum Schrumpfen vor die Maschine. »Dann mal los«, sagte ich.
    Einen Augenblick lang schien nichts zu geschehen. Dann fühlte ich das Kitzeln, das mir Marc beschrieben hatte. Plötzlich sah die Welt aus, als ob ich von ihr abgefallen wäre und jetzt tiefer und immer tiefer fiele, während der Raum selbst rasch größer

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