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Die geheime Sammlung

Die geheime Sammlung

Titel: Die geheime Sammlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polly Shulman
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wurde.
    Die Welt war so groß, dass ich nichts mehr richtig erkennen konnte. Was waren das für drohende Umrisse? Wo war die Tür geblieben? Wo war Marc? War dieser gefährlich schwankende Wolkenkratzer etwa Aaron? Wie sollte ich mich ohne meinen Richtungssinn zurechtfinden?
    Das grüne Licht ging aus, und das wahnwitzige Gefühl verschwand.
    »Elizabeth? Alles in Ordnung?«
    Aarons Stimme hörte sich seltsam an. Ich konnte die Schwingungen jedes einzelnen Lautes unterscheiden und musste mich anstrengen, um sie zu Worten zusammenzusetzen.
    »Ich glaube schon. Alles in Ordnung.«
    »Bist du sicher? Du wirkst ein bisschen …« Eine große Hand stürzte auf mich herab.
    Ich duckte mich panisch. »He! Was machst du da?«
    »Entschuldige bitte. Du bist so winzig und so niedlich. Da wollte ich sichergehen … hier, passt du da rein, oder soll ich dich noch kleiner machen?«
    Ein Pneu näherte sich durch die Luft und hielt neben mir an. Aarons Hand hielt ihn fest, während ich das Schubfach öffnete. Er sah schlampig verarbeitet und abgenutzt aus. Tiefe Kratzer zogen sich durch das Plastik, und der Filz war rauh. Konnte er mich vor den Schlägen und Stößen bewahren, mit denen ich durch die Röhren sausen würde?
    Ich zwängte mich hinein, zog das Schubfach von innen zu, öffnete es problemlos wieder und schaute mit Kopf und Schultern heraus.
    »Aaron? Ich mache das Ding jetzt zu. Kannst du es bitte mal mit dem Schubfach nach unten aufstellen, damit wir sicher wissen, dass ich auch dann rauskomme?«
    »Na klar.«
    Diese Riesenhand! Igittigitt, da war etwas abgestorbene Haut an seinem Zeigefinger. Er stieß den Pneu mit einem übelkeiterregenden Rucken um wie ein Riesenrad, das ruckelnd anläuft, bevor es richtig in Fahrt kommt. Es war nicht leicht, das Schubfach zu öffnen. Ich musste mich mit vollem Schwung hin und her werfen, damit der Pneu umfiel, aber ich schaffte es und kletterte heraus.
    »Wollt ihr mal in die Röhre gucken?«, fragte Aaron.
    Ich nickte.
    »Okay, dann steigt in die Pneus. Ich muss euch mit nach oben in den HU nehmen. Von hier aus gibt es keine direkte Rohrpostverbindung zum Grimm-Sammelsurium.« Er brachte uns ganz nah an sein Gesicht. »Festhalten«, meinte er.
    Bis zum HU reisten wir in Aarons Tasche, wo wir bei jedem Schritt hin und her purzelten. »Ich glaube, mir wird schlecht«, meinte Marc.
    »Bitte nicht!«, sagte ich.
    Im Hauptuntersuchungsraum hatte Sarah Dienst an der Rohrpostanlage.
    »Ich muss da mal eben ran, Sarah. Ich muss etwas nach unten schicken«, sagte Aaron.
    »Klar«, meinte sie. »Wo du gerade da bist, magst du auf die Anlage aufpassen, während ich mal kurz für kleine Mädchen gehe?«
    »Mach ich«, sagte Aaron. Wir hörten, wie Sarah davonging.
    »Schick mich zuerst runter, und gib mir fünf Minuten, um aus dem Weg zu gehen, bevor du mir Elizabeth hinterherschickst«, sagte Marc.
    Ich hörte ein Zischen, als Marc die Röhre öffnete und die zwei Versorgungspneus nach unten schickte. Ein weiteres Zischen und einen dumpfen Schlag, als er Marc auf den Weg sandte. Dann eine lange Pause – wenn man in einer Plastikröhre in der Hosentasche von jemand anders steckt und darauf wartet, durch eine finstere Röhre zu jagen, sind fünf Minuten eine Ewigkeit.
    Endlich erschien Aarons Hand wieder und zog mich aus seiner Tasche. Mir stieg das Blut zu Kopf. »Ich stehe verkehrt rum!«, rief ich.
    Aaron hielt mich wieder vor seine Augen und drehte den Pneu so, dass ich auf dem Rücken lag. Dann flüsterte er: »Ich weiß. Du musst verkehrt herum rein, sonst landest du auf deinem Kopf. Die Röhren gehen zuerst nach oben, bevor es abwärts geht.«
    »Na klasse«, stöhnte ich.
    »Tut mir leid«, sagte Aaron. »Das ist nicht meine Schuld, das ist Geometrie.« Er stellte mich auf den Kopf und zog die Rohrpost auf. »Auf Wiedersehen, Elizabeth. Gute Reise«, sagte er und ließ mich los.
     

[home]
    Kapitel 21
    Der Goldene Schlüssel
    J eder, der Achterbahnen und Riesenrutschen mag, würde eine Fahrt mit der Rohrpost lieben. Man schießt durch pechschwarze Finsternis, knallt gegen die Wände und dreht sich wieder und wieder in rasender Geschwindigkeit um sich selbst, bis man keine Ahnung mehr hat, wo unten und oben ist – vor allem, wenn man seinen Richtungssinn in einem
Kuduo
abgegeben hat. Am schlimmsten ist es, wenn der Luftdruck plötzlich abfällt, man selbst sehr schnell fällt und mit einem markerschütternden Schlag im Drahtkorb landet.
    Ich mag keine Achterbahnen.
    Benommen lag

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