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Die geheime Sammlung

Die geheime Sammlung

Titel: Die geheime Sammlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polly Shulman
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ich da, meine Wange wurde gegen das Plastik gedrückt, und ich versuchte, mich an das Licht und die Stille zu gewöhnen, ehe ich mich erneut daran wagte, mich aus dem Pneu zu befreien. Ich war gerade wieder zu Atem gekommen, als mein Pneu ein knirschendes Geräusch von sich gab.
    Es war Marc, er öffnete das Schubfach. »Cool, oder? Besser als Snowboarden!« Er hielt mir die Hand hin und half mir heraus.
    »Danke«, sagte ich und lehnte mich gegen das Drahtgitter.
    Irgendetwas an Marc war komisch – er sah anders aus. Er schaute mich abschätzend und nicht allzu freundlich an. »Du bist ganz schön groß«, sagte er.
    Ich lachte. »Ja, stolze fünfzehn Zentimeter«, sagte ich, aber ich wusste, was er meinte. Aaron hatte uns beide so weit geschrumpft, dass wir in die Pneus passten, und deshalb waren wir jetzt genau gleich groß. Es war ein komisches Gefühl, genauso groß zu sein wie ein Basketballspieler.
    Die Rohrpost rasselte drohend. »Wir sollten besser hier raus, bevor uns ein Pneu auf den Kopf fällt«, schlug Marc vor.
    Wir kletterten aus dem Korb. Marc half mir mit einer Räuberleiter. Wir waren zwar gleich groß, aber er war immer noch viel stärker als ich. Wir räumten alle Pneus aus und packten Schnur, Vielzweckklemmen und andere Hilfsmittel in unsere Rucksäcke. Marc befestigte etwas Schnur am Drahtkorb, warf den Rest der Schnur das Regal herunter und kletterte daran abwärts.
    »Jetzt du, Elizabeth«, rief er mir vom Boden aus zu.
    »Uff. Das ist aber ganz schön tief.« Seilklettern war nie meine Lieblingsübung im Sportunterricht gewesen.
    »Schling dir das Seil um ein Bein und stütz dich mit den Füßen ab«, rief Marc. »Gut so. Nein – deine Füße. Nicht deine Hände – deine Füße!«
    Ich riss mir die Handflächen böse auf. Ein Stück Garn kann erstaunlich rauh sein, wenn man nur fünfzehn Zentimeter groß ist, aber ich erreichte den Boden, ohne herunterzufallen. »Und wohin jetzt?«, fragte ich.
    »Zu Nummer I * GS 683 . 32 G 65  – also hier entlang.«
    Wir pflügten durch den träge aufwirbelnden Staub. Es fühlte sich an, als ob wir durch Federn oder Styroporlinsen stapfen würden. War der Fußboden immer so staubig?
    Marc packte mich am Ellbogen, als ich schon wieder falsch abbiegen wollte. »Hier lang.« Er hielt vor einem grauen Metallschrank an, der so groß wie ein Hochhaus wirkte.
    »Na toll«, sagte ich. »Wie kriegen wir die Tür auf?«
    »Mit einem Lasso über der Klinke«, sagte Marc und knüpfte eine Schlinge in die Schnur.
    Er war ziemlich gut im Lassowerfen, aber die Schlinge rutschte immer wieder von der Klinke herunter. »Lass gut sein«, meinte ich schließlich. »Das wird so nichts.«
    »Hast du vielleicht eine bessere Idee?«, fragte er. »Ich kann ja nicht fliegen.«
    »Mensch, das ist es«, meinte ich. »Wir könnten einen der Gegenstände hier nehmen. Wie wäre es mit dem fliegenden Teppich?«
    »Hm.« Er verstaute das Lasso im Rucksack. »Den Teppich gerade nicht. Den kriegen wir nie ausgerollt, und außerdem liegt er ganz oben im Regal – aber Hermes’ Schuhe liegen auf einem der unteren Regalbretter.«
    »Hermes’ Schuhe?«
    »Du weißt schon, die Sandalen mit den Flügeln. Hier lang!«
    Nach einem weiteren schwindelerregenden Marsch zwischen wolkenkratzerhohen Schränken hindurch hielt Marc mich am Arm fest und sagte: »Da.« Er hielt vor einem offenen Turm mit Riesenschuhen an. Das unterste Regal war in Höhe unserer Schultern. Ich stand direkt vor einem Paar ausgetretener Ballettschühchen von der Größe eines Ruderboots, hinter dem zahlreiche ähnliche Paare lagen.
I *
GS
391 . 413 T 94  c. 1 —c. 12
stand auf den Etiketten: die vierundzwanzig zertanzten Schuhe der zwölf Prinzessinnen.
    Marc kletterte schwungvoll auf das Regal. »Komm schon«, sagte er.
    Vielleicht hätte ich mich auch hochziehen können, wenn ich weiter Ballett getanzt hätte, aber meine Arme waren nicht mehr im Training. »Kann ich hier warten?«
    »Gut.« Marc häufte ein paar Schuhe zu einer Kletterhilfe auf und erklomm die nächsten zwei Regalbretter. Ich konnte hören, wie er sich dort oben bewegte.
    »Ich hab sie!« Sein Kopf schaute ein bisschen über den Abgrund. »Ich komme runter. Geh in Deckung, damit ich dich nicht mit einem Schuh treffe«, rief er mir zu.
    Ich kroch unter das unterste Regal, wobei ich den Staubmäusen auswich. Von wegen Staubmäuse – Staubmonster wäre der richtige Ausdruck. Sie sahen aus, als hätten sie Haare aus geschupptem Draht. Es waren

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