Die geheime Waffe
Körper. Ihr tat alles weh, und an einigen Stellen brannte die Haut, als wäre sie mit Säure eingerieben worden. Außerdem war Wasser unter den Neoprenanzug geraten und vermittelte ihr ein Gefühl, als hätte sie in die Hose gemacht. Sie zischte eine leise Verwünschung.
Sofort hielt Torsten an. »Ist etwas mit Ihnen?«
»Nein!« Henriettes Antwort klang zu schroff, um wahr zu sein.
Mitten im Hafen konnte Torsten ihr nicht helfen. Daher fragte er nicht nach, sondern befahl ihr knapp, ihm zu folgen. Der Rückweg durch die einzelnen Hafenbecken dehnte sich zu einer Ewigkeit, und sie glaubte schon nicht mehr, dass sie die Kattendijksluis je erreichen würden. Doch kurz darauf tauchte die Schleuse vor ihnen auf. Diesmal war das flussnahe Tor geschlossen, so dass sie ein längeres Stück ohne Deckung über Land laufen mussten, um es zu umgehen und in die Schelde steigen zu können. Aber auch jetzt verließ sie das Glück nicht, denn der zurückkehrende Ausflugsdampfer zog die Aufmerksamkeit der Hafenarbeiter auf sich.
Im Fluss angelangt, schaltete Torsten den Scooter ein und forderte Henriette auf, sich an dem Griff auf ihrer Seite festzuhalten. Er hatte bemerkt, dass ihre Schwimmbewegungen unregelmäßig und kraftlos wurden, und versuchte, ihr Mut zu machen. »Mit dem Gerät ist der Rückweg trotz der Gegenströmung weitaus leichter zu bewältigen.«
Henriettes Neugier überwog ihre Schmerzen. »Darf ich fragen, was Sie im zweiten Container entdeckt haben?«
»Ein Auto mit einer Leiche. Das wird Wagner gar nicht gefallen.«
»Mir gefällt das auch nicht!«, rief Henriette entsetzt aus.
»Glauben Sie etwa, ich würde darüber lachen? Da steckt eine elende Teufelei dahinter. Wenn die Container verschifft
werden, kommen sie erst irgendwo in Afrika wieder an Land. Dort würde der Tote wahrscheinlich sofort verbuddelt werden, und kein Schwein würde je erfahren, um wen es sich handelt. «
»Und wie wollen Sie verhindern, dass er auf ein Schiff geladen wird? Vielleicht werden sie gerade auf den Kasten gehievt, der uns so viele Probleme bereitet hat.« Henriette fühlte sich müde und zerschlagen und sah deswegen alles in trübem Licht.
»Das will ich nicht hoffen. Petra wird sich etwas einfallen lassen müssen«, erklärte Renk und schaltete den Scooter auf volle Leistung.
ZWANZIG
A ls die beiden endlich Burcht erreichten, hellte sich der östliche Horizont bereits auf. Noch schlief die Stadt, doch bald schon würden die Menschen geschäftig in die Werkstätten, Werften und Fabriken eilen. Bis dorthin mussten sie in ihrem Versteck sein oder zumindest im Wagen sitzen.
An ihrem Ausgangspunkt angekommen kletterte Henriette mit kraftlosen Bewegungen auf den Steg und humpelte auf das Auto zu.
Torsten musterte sie besorgt. »Sie sind also doch verletzt.«
»Das ist nur eine Kleinigkeit!«, tat sie ihre Blessuren ab und begann, Sauerstoff-Flasche, Schwimmflossen, Brille und Mütze in den Kofferraum zu werfen. Auch Torsten entledigte sich seiner Taucherausrüstung, stopfte sie zusammen mit dem Scooter in den Kofferraum und schlug den Deckel zu.
»Soll ich fahren?«
»Es geht schon!«, log Henriette und setzte sich mit zusammengebissenen Zähnen hinter das Steuer.
Torsten nahm neben ihr Platz und reichte ihr die Bluse, die sie im Auto zurückgelassen hatten. »Ziehen Sie die an, damit wir unsere Tarnung aufrechterhalten. Es ist zwar unwahrscheinlich, dass jemand um die Zeit auf unsere Tauchanzüge aufmerksam wird, aber wir sollten kein Risiko eingehen.«
»Da haben Sie recht!« Henriette ergriff die Bluse und schlüpfte hinein. Dabei fuhr ihr ein stechender Schmerz durch die linke Schulter. Sie unterdrückte den Wehlaut und schloss die Knöpfe. Dabei beneidete sie Renk, der einfach nur sein T-Shirt überzog und sich dann mit einem verzerrten Grinsen zurücklehnte.
»Das hätten wir geschafft!«
»Noch nicht ganz. Wir müssen noch in unser Versteck!«, widersprach Henriette und startete den Wagen. Bereits das Lenkrad festzuhalten bereitete ihr höllische Schmerzen. Doch die Disziplin, die sie sich in langen Jahren antrainiert hatte, half ihr, das Auto über die teilweise mit Kopfsteinpflaster befestigten Straßen zu fahren. Als sie etliche Minuten später vor dem schuppenartigen Gebäude ihres Verstecks anhielt, standen ihr Schweißtropfen auf der Stirn, und sie fühlte sich so schwach, dass sie sich am liebsten heulend in eine dunkle Ecke verkrochen hätte.
Torsten sprang aus dem Wagen, rannte zum Tor und
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