Die geheime Waffe
Boden des Hafenbeckens.«
»Sind Sie verletzt?«
Henriette schüttelte den Kopf, obwohl das in dem Schlammwasser wirklich niemand sehen konnte. »Nein, mir geht es gut!«
Das war eine höllische Übertreibung, denn jetzt, da die unmittelbare Gefahr vorbei war, spürte sie jeden Stoß, den sie erhalten hatte, doppelt und dreifach.
»Bleiben Sie da, wo Sie sind, und wickeln Sie das Kommunikationskabel langsam ein. Ich versuche, zu Ihnen zu kommen!«
Danach schwieg Renk, doch Henriette konnte seine keuchenden Atemzüge hören. Während sie wartete, überlegte sie, wie weit er von ihr entfernt sein konnte. Mehr als die hundert Meter, die das Kabel maß, sicher nicht. Doch dazwischen war alles möglich. Es konnte sogar sein, dass er in der falschen Richtung suchte und irgendwann das Kabel abreißen würde. Oder es riss, weil es zu tief im aufgewühlten Schlamm steckte. Es war schon ein Wunder, dass es bis jetzt gehalten hatte.
Während ihre Gedanken in einem wirren Tanz hüpften, holte sie langsam das Kabel ein. Plötzlich verstummten seine Atemgeräusche, und sie kämpfte gegen einen Panikanfall an. Ihr Entsetzen wurde noch größer, als sie auf einmal das andere Ende des Kommunikationskabels in der Hand hielt, ohne dass Renk daran hing. Noch während sie sich fragte, was mit ihm passiert sein könnte, spürte sie eine Berührung an der Schulter. Sehen konnte sie in der Schlammbrühe zwar nichts, doch ihre tastenden Hände zeigten ihr, dass es sich um ihren Begleiter handeln musste.
Er tippte sie noch einmal an und zog sie in eine Richtung. Der Karabinerhaken, mit dem sie sich an dem Eisengriff befestigt hatte, hielt sie jedoch auf. Mit zitternden Fingern öffnete sie ihn und folgte Renk. Im letzten Augenblick dachte sie an das Bündel mit den Ausrüstungsgegenständen und den Scooter, löste beides von dem Krampen und zog es hinter sich her.
NEUNZEHN
A uf der anderen Seite des Schiffes kamen sie wieder an die Wasseroberfläche. Da Torsten ohne Sauerstoff-Flasche hatte tauchen müssen, war er halb erstickt und so erschöpft, dass er sich nicht mehr aus eigener Kraft über Wasser halten konnte. Henriette packte ihn gerade noch rechtzeitig, zog ihn an sich und sorgte mit langsamen, aber kraftvollen Bewegungen ihrer Schwimmflossen dafür, dass sie nicht wieder versanken.
»Nehmen Sie meine Sauerstoff-Flasche, bis ich die Ihre wieder festgeschnallt habe. Dann geht es Ihnen besser.« Henriette koppelte ihren Versorgungsschlauch von der Tauchmaske ab und steckte ihn an Renks Maske.
Torsten atmete das Sauerstoffgemisch mit tiefen Zügen ein und nickte ihr erleichtert zu. »Danke! Ich musste den Atem länger anhalten, als ich gerechnet hatte. Aber jetzt geben Sie mir das Ende des Verbindungskabels. Ich will nicht, dass uns jemand zufällig hören kann.«
Sofort stöpselte Henriette den Stecker des Kabels wieder ein »Hören Sie mich?« Als er etwas brummte, schnallte sie ihm die Sauerstoff-Flasche auf den Rücken und reichte ihm seinen Atemschlauch. Dann drehte sie kurz das Ventil auf und blies das Wasser heraus. Es war so schmutzig, dass Torsten es selbst in dem diffusen Zwielicht der Laternen auf der anderen Seite des Hafenbeckens sehen konnte.
»Was haben Sie mit dem Schlauch gemacht?«, fragte er verwundert.
»Ich? Nichts! Das dürfte der Schlamm sein, den die Schiffsschrauben aufgewirbelt haben!«
»Auch egal! Es muss gehen.« Auf seine Anweisung presste Henriette noch einmal Luft durch den Schlauch, dann klinkte sie ihn in seine Maske ein.
»Jetzt könnte ich meine Flossen brauchen«, brummte er.
»Ich gebe sie Ihnen und halte Sie fest, bis Sie die Dinger angezogen haben.« Henriette packte mit einer Hand seinen Gürtel und hielt ihm mit der anderen die erste Flosse hin.
Torsten zog die Beine an und schlüpfte hinein. Die andere Flosse folgte, und so konnte er nun selbst mit langsamen Bewegungen Wasser treten.
»Geschafft! Jetzt sollten wir verschwinden«, sagte er, nachdem er auch noch den Rest seiner Ausrüstung an sich genommen und verstaut hatte. Trotz seiner Erschöpfung schleppte er den Scooter hinter sich her, denn er wagte es nicht, das Gerät im Hafengelände einzusetzen.
Ehe Henriette ihm folgte, blickte sie noch einmal zu dem Containerriesen hoch, der wie ein Berg über ihnen aufragte. Es kam ihr immer noch wie ein Wunder vor, dass das Schiff
sie weder erdrückt noch in die Schraube gezogen hatte. Die Nachwirkungen ihres verzweifelten Kampfes um ihr Überleben spürte sie jedoch am ganzen
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