Die geheime Waffe
Das Palais du Roi, zu dem wir jetzt fahren, ist der Amtssitz des Königs, sprich, seine Arbeitsstelle. Im Château Royal Laeken hingegen wohnt Albert samt seiner Familie, wenn es nicht zufällig wie jetzt ein bisschen gelitten hat. Bevor Brüssel so stark gewachsen ist, muss es ein hübscher Landsitz gewesen sein.«
»Danke für die Erklärung, und geschlagen hätte ich Sie sowieso nicht.« Henriette lachte und wischte sich eine Haarsträhne aus der Stirn.
Ihr Fahrer lenkte den Wagen über die Rue Royale, bog in den Place du Palais ein und hielt vor dem Museum der Dynastie
an. »Wir sind da«, sagte er und fragte sich, weshalb in dieser schweren Zeit ausgerechnet zwei subalterne deutsche Offiziere eine Audienz beim König erhielten.
Als der Wagen stand, traten zwei Personen aus dem Schatten des Gebäudes und grüßten militärisch. Jean Antoine Pissenlit und seine Schwester Louise trugen Galauniform und atmeten sichtlich auf, als sie sahen, dass auch Henriette und Torsten sich in Schale geworfen hatten.
Henriette trug Hosen und Jacke im Blau der Luftwaffe mit den Schulterklappen eines Leutnants und hatte das blaue Schiffchen aufgesetzt. Während sie Torsten betrachtete, dachte sie, dass er zum ersten Mal, seit sie ihn kannte, keine Jeans trug, sondern dunkelgraue Uniformhosen und statt der Lederjacke die silbergraue Jacke des Heeres. Besetzt war diese mit den grünen Kragenspiegeln der Infanterie. Außerdem hatte er eine hellgraue Schirmmütze aufgesetzt, die ihn sehr martialisch aussehen ließ. Am auffälligsten war jedoch das Ordensband auf seiner Brust, das auf die Vielzahl der Orden hinwies, die er bereits erhalten hatte.
Als die beiden ausstiegen, entdeckte auch Leutnant Pissenlit diese Ordensspange und schluckte. »Im Sudan hattest du die aber noch nicht«, platzte er heraus und zuckte dann zusammen. »Ich bitte um Entschuldigung, Herr Oberleutnant.«
»Angenommen!« Torsten grinste und versetzte ihm einen leichten Boxhieb gegen die Schulter. »Hast du eine Ahnung, weshalb wir hier antanzen sollen?«
Pissenlit hatte seinen Schock über Torstens Ordensfülle inzwischen überwunden und strahlte über das ganze Gesicht. »Natürlich weiß ich es, aber ich will dir nicht die Überraschung verderben. Kommen Sie jetzt bitte mit.« Das Letzte galt Henriette, die nicht weniger neugierig wirkte als ihr Kollege.
Zu viert betraten sie das Palastgebäude und gingen einen schier endlos langen Flur entlang. Nach einer Weile gelangten sie in einen Vorraum, in dem Torsten und Henriette zu ihrer
Überraschung Major Wagner, Petra und Hans Borchart entdeckten. Die drei winkten ihnen zu, doch sie konnten nicht einmal einen Gruß wechseln, da ein Mann in einem dunklen Anzug auf Torsten und Henriette zukam und sie begrüßte.
»Herr Oberleutnant Renk, Frau Leutnant von Tarow, willkommen im königlichen Palais. Wenn Sie mir bitte folgen wollen!« Der Mann machte eine entsprechende Handbewegung und schritt voran. Henriette und Torsten folgten ihm, flankiert von den Geschwistern Pissenlit, die rasch noch Jagd auf mögliche Flusen auf ihren Uniformen machten. Vor einer breiten Tür nahmen sie Haltung an.
Ein Lakai in Livree und mit weißen Handschuhen öffnete und trat dann beiseite, um den Weg freizugeben. Im Innern des Raumes befanden sich ein alter, wertvoller Sekretär aus dunklem Holz sowie ein wuchtiger Schreibtisch. An diesem saß der König, der offensichtlich Papiere durchgesehen hatte, die er jetzt beiseitelegte.
»Eure Majestät, Oberleutnant Renk und Leutnant von Tarow von der Deutschen Bundeswehr«, stellte der Mann im Anzug Henriette und Torsten vor. Beide salutierten und blieben auf einen Wink ihres Führers stehen.
Albert II. erhob sich schwerfällig und trat auf sie zu. Sein Gesicht war noch bleich, dennoch sah er besser aus als noch vor drei Tagen. Mit einem kurzen Blick stellte Torsten fest, dass auch die Hand des Königs nicht mehr zitterte. »Meine Dame, Herr Offizier! Ich bedauere, Sie so formlos empfangen zu müssen, doch es gilt vieles zu erledigen. Ich muss die Gräben in meinem Land zuschütten, so gut ich es vermag, und werde in wenigen Minuten die führenden Politiker Flanderns empfangen. Doch irgendwann wird die Zeit kommen, in der ich Sie im privateren Rahmen zu mir bitten und Ihnen für all das danken kann, was Sie für dieses Land getan haben. Ich will jedoch nicht versäumen, Sie bereits jetzt so auszuzeichnen, wie Sie es verdienen.«
Der König schwieg einen Augenblick. Dafür traten
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