Die geheime Welt der Frauen
Speisesäle muss man sich zum Dinner umziehen. Armer Herbie, ich hab
ihm noch nicht gesagt, dass wir ihm zwei neue Anzüge kaufen müssen.«
»Zwei? Esst ihr denn jeden Abend dort?«
»Aber sicher. Glaubst du, ich lass mir die Chance entgehen, mich zum Dinner umzuziehen? Das wollte ich schon immer mal tun. Es ist genau wie in den alten Filmen.«
»Wenn nur das wirkliche Leben so wäre wie in den alten Filmen, wo ein Orchester spielt und alle wunderschön sind«, sagte Sima und reichte ihr zwei Unterröcke.
Timna zog den Vorhang auf, als sie sich der Kabine näherten, und führte den grünen BH vor. »Warum haben Sie den das letzte Mal versteckt?«, fragte sie Sima neckend. »Er ist das Hübscheste, was ich je gesehen habe.«
Sima sah auf die grüne Seide, die sich von Timnas Haut abhob wie eine Echse, die auf Wüstensand schlief - gefährlich, verführerisch. Sie schüttelte bewundernd den Kopf. »Sie haben recht. Es könnte nicht besser aussehen.«
»Ist der hinreißend«, sagte Sylvie und streifte die Schuhe ab, als Sima in die Kabine trat und den Vorhang hinter sich zuzog. »Ich würde ihn ja selbst anprobieren, aber ich glaube, mein Mann bekäme einen Herzanfall.«
Sima sah zu, wie sich die beiden Frauen umzogen: Sylvie, die mit dem Alter dünn geworden war und deren Knochen sich unter der blassen, geäderten Haut abzeichneten, und Timnas pralle Kurven, als sie den elfenbeinfarbenen BH zuhakte und die Arme durch die Träger schob.
»Doch mal einer, der nicht ganz perfekt sitzt«, sagte Sima zu Timna, als sie zurücktrat, um diese zu begutachten. »Der ist gerade eine Winzigkeit zu groß. Hier, drehen Sie sich um.« Während Timna mit dem Gesicht zum Spiegel stand, trat Sima hinter sie und zog an beiden Seiten des BHs. »Sehen Sie, wie viel besser das ist?«, fragte sie und steckte zwei Nadeln in den Tüll,
um die Änderung zu markieren. »Jetzt sind Sie für die Hochzeit bereit.«
»Richtig. Und den grünen BH trage ich in den Flitterwochen.«
Sima grinste, wandte sich zu Sylvie und neigte den Kopf, um die Saumlänge zu prüfen. »Und was dich anbelangt, muss der Unterrock kürzer gemacht werden, außer du trägst eine Schleppe.«
»Also, was gibt’s sonst Neues?« Sylvie zog den Unterrock aus und reichte ihn Sima. »Wo ist die Russin?«, fragte sie, als Sima den Vorhang aufzog, den elfenbeinfarbenen BH und den beigefarbenen Unterrock über ihrem Arm wie Servietten bei einem Kellner. »Du machst doch selbst nie Änderungen.«
»Ihr Mann hat einen Job oben im Norden angenommen«, erklärte Sima. »Ich suche nach einem Ersatz.«
»Stellen Sie jemanden ein?«, fragte Timna und zog ihr marineblaues T-Shirt über, das, wie Sima bemerkte, ihren Bauch nicht ganz bedeckte. »Weil ich wirklich gut nähen kann. Meine Großmutter war Näherin, und sie hat mir beigebracht …«
Sima sah das Mädchen überrascht an. Sie wollte das Angebot ablehnen - was würde jemand wie Timna in ihrem Laden anfangen, den ganzen Tag in einem Souterraingeschäft mit älteren Frauen -, aber sie wollte nicht unhöflich sein.
»Oooh, stell sie ein«, sagte Sylvie. »Dann kriegst du eine Näherin und ein Model in einem.«
Sima zwang sich zu lächeln. »Ich rufe an, Sylvie, und dann reden wir.«
Sylvie bezahlte bar, küsste Sima und versprach, am nächsten Tag wiederzukommen und den Unterrock abzuholen. Timna winkte zum Abschied wie eine Schönheitskönigin.
»Also«, sagte Sima und lehnte sich über die Ladentheke, »jetzt sagen Sie mir, wie Sie mein Geschäft überhaupt gefunden
haben?« Das hatte sie sich schon die ganze Woche gefragt und sich vorgestellt, ihr Laden habe es in einen israelischen Reiseführer über New York geschafft.
Timna fasste an ihre Halskette - eine dünne Goldkette - und drehte sie leicht. »Ich ging gerade die Straße hinunter und sah ein paar Frauen, die mit Tüten herauskamen …«
»Was? Letzte Woche?«
Timna nickte. »Ich hab gefragt, ob ein Laden in dem Haus sei, und sie sagten Ja. Ich suche nach Arbeit und war bereits in ein paar Kleidergeschäften auf dieser Hauptstraße …«
»Auf der 13.«
»Aber niemand hatte einen Job für mich.« Timna schwieg einen Moment, blickte auf die Ladentheke hinab und dann lächelnd zu Sima hoch. »Die Wahrheit ist, ich bin heute wiedergekommen, um zu sehen, was mit Ihrer Näherin ist. Ich hab bis jetzt nicht viel Glück gehabt - ich habe keine Arbeitsgenehmigung, was alles schwieriger macht -, und Sie haben erwähnt, Ihre Nährerin würde vielleicht nicht
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