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Die geheime Welt der Frauen

Titel: Die geheime Welt der Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilana Stanger-Ross
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voller Schachteln, jede Schachtel mit BHs gefüllt. Sima gab nie einen Cent für Werbung aus und hatte das auch nicht nötig. Obwohl sich in ihrer Umkleidekabine die Frauen selten drängten, hatte sie genügend zu tun, sodass ihre Beine am Abend schmerzten vom vielen Rauf- und Runtersteigen auf der Leiter, wenn sie nach der richtigen Größe suchte. Simas Stammkundinnen - und fast alle ihre Kundinnen wurden Stammkundschaft - betraten den Laden, zogen gleich die Mäntel aus und knöpften ihre gestärkten Blusen auf.
    »Etwas für die Hochzeit meiner Kusine, um meinen Bauch flach und die hier (ein kurzes Anheben der großen Brüste) beim Tanzen oben zu halten.«
    »Für meine Tochter, für ihre Bat-Mitzwah. Ist das zu glauben?
Es kommt mir vor, als sei’s erst gestern gewesen, dass ich ihren Buggy hinter der Ladentheke abgestellt habe.«
    »Irgendwas Einfaches. Baumwolle.«
    »Etwas aus Spitze. Schwarz.«
    »Etwas mit Formbügeln.«
    »Ohne Bügel.«
    »Im Ausverkauf?«
    Simas Laden war nicht das einzige verborgene Geschäft in der Nachbarschaft: Farah verkaufte Taschen und Schuhe, Shoshana entwarf Briefpapier und Einladungskarten, Gussie führte Perücken und Kopftücher, und in Bernie und Ida Neumans Laden im Souterrain gab es Anzüge für Jungen. Ein geheimes Einkaufsviertel unter den rot- und orangefarbenen zweistöckigen Ziegelhäusern von Boro Park, Brooklyn.
    Diejenigen, die Sima nicht kannten, blieben nur einen Moment lang verlegen stehen. Mit einem Blick erfasste Sima Unterbrustumfang und Körbchengröße. »Achtzig D«, sagte sie etwa und fügte, auf den Vorhang der Umkleide deutend, hinzu: »Dort drüben.« Vergeblich protestierten die Frauen: »Aber ich hab fünfundsiebzig. Immer schon …«
    »Dann haben Sie immer die falsche Größe getragen«, erklärte ihnen Sima, und wenn sie auf ihre Anweisung hin wieder in die Blusen schlüpften, um die Form zu begutachten, die der neue BH machte, stimmten sie ihr unweigerlich zu. »Ist das zu fassen?«, sagten die Frauen und blickten lächelnd im Spiegel auf ihren Busen. »Nach all den Jahren.«
    »Wie lange sind Sie schon in Brooklyn, Timna?«, rief Sima, als sie gefunden hatte, was sie suchte, und vor lauter Eifer die Schachteldeckel fallen ließ.
    »Erst eine Woche. Ich wohne bei Verwandten und warte, bis mein Freund seinen Militärdienst absolviert hat. Dann fahren wir nach San Francisco.«

    »Eine schöne Stadt«, antwortete Sima, obwohl sie seit Jahrzehnten nicht mehr dort gewesen war. Als sie von der Leiter hüpfte, knickte sie mit dem Knöchel um: ein jäher Schmerz, der schnell verging. Sie hielt einen Moment inne, fasste sich aber wieder. Es war einfach unmöglich, nicht aufgeregt zu sein, wenn man dieses Mädchen bediente. Und wenn es ihr gefiel, sich den zarten Stoff ihrer BHs auf Timnas Haut vorzustellen, war das nicht abwegiger, als wenn ein Zahnarzt makellos perlweiße Zähne bewunderte.
    Sima reichte Timna zwei BHs, die sie für die aufregendsten ihres Sortiments hielt - karminrote Spitze der eine, der andere schwarz, tief ausgeschnitten, um ein Maximum an Dekolleté zu zeigen. Sie zog den Vorhang zu, während Timna den roten anprobierte, wartete, bis sie die üblichen Geräusche hörte - ein Schritt zurück, eine Drehung zur Seite -, die ihr signalisierten, dass die Kundin bereit war.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Simna.
    Timna öffnete den Vorhang. »Was meinen Sie?«
    Sima nahm ihren Anblick in sich auf. Die junge Israelin sah aus wie die Frauen auf den Titelbildern der Romanheftchen im Supermarkt: sahnig weiche Haut, die sich über volle Kurven spannte, die Spitze des BHs bedeckte gerade genug, um gänzliche Enthüllung zu versprechen. Sima fühlte sich versucht aufzuseufzen, unterdrückte es aber.
    »Da hab ich aber Glück gehabt«, erklärte sie Timna und zwang sich, das zu tun, was sie immer tat - die Hand auf das Körbchen zu legen, um die Passform zu prüfen und den Stoff glatt zu streichen. »Dieser BH sieht aus, als wäre er für Sie gemacht. Meine Näherin ist heute nicht da, und ich hasse Nähen, also hab ich gebetet - lass ihn passen!«
    »Und, passt er?«
    »Wie angegossen. Bloß noch ein bisschen zurechtrücken …«
Sima verkürzte den Träger auf Timnas linker Schulter, und ihre Finger zitterten fast, als sie den dunkelbraunen Schönheitsfleck berührten, der perfekt platziert auf der sanften Biegung zwischen Hals und Schulter saß - »… und voilà. Ziehen Sie jetzt mal Ihr T-Shirt drüber«, schlug Sima vor und trat zurück,

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