Die geheimen Memoiren der Jane Austen - Roman
gelangt, dass die Wahrheit keine Schande ist, sondern nur Befreiung bringt. Und dass irgendwann jede Geschichte das Recht hat, erzählt zu werden.
Finis
2. Januar 1817
Nachwort der Herausgeberin
Vernunft und Gefühl
erschien im Oktober 1811 im Druck und wurde von der Kritik und den Lesern außerordentlich gut aufgenommen. Bis Juli 1813 waren alle Exemplare der ersten Auflage verkauft, was nicht nur die ursprünglichen Auslagen wieder hereinbrachte, sondern der Autorin auch einen Gewinn von etwa £ 140 bescherte. Dann erschien eine zweite Auflage. Von diesem Erfolg ermutigt, bot Jane Austen 1812 ihr soeben überarbeitetes Manuskript von
Erste Eindrücke
, dem sie inzwischen den berühmten neuen Titel
Stolz und Vorurteil
gegeben hatte, zur Veröffentlichung an. Egerton, der zweifellos einen potenziellen Bestseller darin erkannt hatte, zahlte ihr £ 110 dafür und sicherte sich das Copyright.
Alle vier Romane Jane Austens, die zu ihren Lebzeiten erschienen, zusätzlich zu den ersten beiden noch
Mansfield Park
und
Emma
, wurden anonym veröffentlicht.
In den ersten Monaten des Jahres 1816 erkrankte Jane Austen an einem nicht näher bestimmten Leiden, das in den nächsten anderthalb Jahren kommen und gehen sollte. Anfang Juni dieses Jahres versuchten es Jane und Cassandra, in der Hoffnung auf eine Heilung, mit einer Trinkkur in dem Badeort Cheltenham, doch falls dies überhaupt von Erfolg gekrönt war, so war dieser jedenfalls nicht dauerhaft. Am 18. Juli 1816 beendete Austen das Manuskript von
Überredung
(das sie anscheinend
Die Elliots
nennen wollte). Sie verbrachte drei Wochen damit, das Ende umzuschreiben, und legte dann das Manuskript zur Seite.Sie schrieb, soweit bisher bekannt war, erst im Januar 1817 wieder, als sie ihr letztes und unvollendetes Werk begann, das großartige Romanfragment
Sanditon
.
Trotz ihrer schwindenden Gesundheit hinterließ bei einer so energiegeladenen und produktiven Schriftstellerin wie Jane Austen (die, nachdem sie nach Chawton gezogen war, innerhalb von sieben Jahren sechs Bücher schrieb oder umschrieb) das Schweigen in den letzten fünf Monaten des Jahres 1816 bisher einen mysteriösen Eindruck. Warum hat sie nicht
Überredung
zur Veröffentlichung vorgelegt? Hat sie überhaupt gearbeitet, und wenn ja, woran?
Nun haben wir die Antwort. Aus dem Datum, das die Autorin unter die letzten Zeilen dieser Memoiren gesetzt hat, können wir schließen, dass Jane zu dieser Zeit ihre Erinnerungen fertiggestellt hat, eine Arbeit, der sie wahrscheinlich in den vorangegangenen Jahren einen großen Teil ihrer Freizeit gewidmet hatte. Die Tatsache, dass Jane Austen über ihre niemandem bekannte Liebesgeschichte nachdachte, während sie
Überredung
schrieb, trägt zur Erklärung bestimmter Facetten dieses Romans bei, den viele ihrer Kritiker für die am leidenschaftlichsten erzählte Geschichte aus ihrer Feder halten. Vielleicht hat sie deswegen
Überredung
nicht aus der Hand gegeben. In der Figur der Anne Elliot in
Überredung
ist eine deutliche romantische Grundstimmung zu spüren, die Austen noch in ihrem ersten veröffentlichten Roman
Vernunft und Gefühl
entschieden verworfen hatte. Die letzten Kapitel von
Überredung
sind außerordentlich emotional, spannend und rührend. Wenn Captain Wentworth Anne seine Liebe gesteht, sind einige seiner Formulierungen ein gespenstisches Echo des romantischen Liebesgeständnisses, dasMr. Ashford Jane selbst an jenem schicksalsträchtigen Abend in Henrys Salon in der Sloane Street machte.
Jane Austens Krankheit verschlimmerte sich. Sie litt unter Schwächeanfällen, Fieber, Hautverfärbungen und Rückenschmerzen, die so stark waren, dass sie sich im Mai 1817 einverstanden erklärte, nach Winchester gebracht zu werden, wo sich die am örtlichen Krankenhaus arbeitenden Ärzte um sie kümmerten, die man für ebenso gut wie jeden Londoner Arzt hielt. Cassandra pflegte sie aufopferungsvoll, aber weniger als zwei Monate später verstarb Jane Austen.
Auf der Grundlage der in Jane Austens Briefen beschriebenen Symptome haben heutige Ärzte die Theorie entwickelt, dass sie vielleicht unter der Addisonschen Krankheit litt, einer Störung der Nebennierendrüsen. Heutzutage kann man diese Krankheit mit Medikamenten kontrollieren, aber letztendlich ist sie tödlich.
In ihrem letzten Brief schrieb Jane Austen über ihre Krankheit: »Zu dieser Angelegenheit möchte ich weiterhin nur noch sagen, dass meine liebste Schwester, meine zärtliche, aufmerksame,
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