Die geheimen Memoiren der Jane Austen - Roman
Lebensglück nur auf
l’amour
allein aufzubauen?«
»Ich denke, es hängt immer von der Größe des Reichtums und Vermögens ab«, antwortete Henry mit einem Zwinkern.
»Ach, Männer!«, rief Eliza entrüstet. »Ihr seid einfach unerträglich!«
Doch Henrys Worte hallten in meinem Kopf wider. Sie spiegelten eine Sorge, die schon eine ganze Weile an mir nagte, seit ich die Worte »ich will« ausgesprochen hatte.
Ich verbrachte eine schlaflose Nacht, wälzte mich unruhig hin und her, verspürte abwechselnd fiebrige Hitze und eisige Kälte, genau wie in der Nacht nach Harris Bigg-Withers Heiratsantrag. Damals hatte ich unter der Bürde des Gedankens an all die üblen Folgen gelitten, die eine Eheschließung mit sich bringen würde, die nur unter materiellen Gesichtspunkten und ohne Liebe geschlossen wurde. Nun quälten mich die Gedanken an eine Verbindung, die unter den genau entgegengesetzten Vorzeichen eingegangen würde.
Endlich erhob ich mich von meinem Lager. Ich erschauerte, als meine nackten Füße den kalten Holzbodenbetraten. Ich legte mir ein Tuch um die Schultern, ging zum Fenstersitz hinüber, zog den Vorhang zurück und schaute auf die Dächer und den tintenblauen Nachthimmel. Ich hörte, dass sich Cassandra in ihrem Bett regte. Einen Augenblick später stand sie schon neben mir am Fenster und breitete liebevoll eine Decke um uns.
»Du grübelst und hast Zweifel bekommen?«, fragte sie sanft.
Ich nickte.
»Aber warum? Du liebst Mr. Ashford, und er liebt dich.«
»Wenn er mich heiratet, gehen Pembroke Hall und all seine Ländereien an die Gläubiger.«
»Das ist mir klar. Aber wenn er sich so entschieden hat …«, hob Cassandra an.
»Du hast Pembroke Hall nicht gesehen«, wandte ich ein. »Es ist der größte und herrlichste Landsitz, den ich je erblickt habe, wie aus einem Märchen. Jeder Raum ist immer noch eindrucksvoller als der vorige. Und die Waldungen und der Park …« Meine Stimme brach, während ich den Kopf schüttelte. »Das sollte man nicht so leichtfertig aufgeben.«
Am Morgen hatten wir fertig gepackt. Ich schickte mit der frühen Post einen langen Brief an Mr. Ashford, in dem ich ihm erklärte, warum ich unverzüglich abreisen musste. Ich gebe zu, dass die Tinte an mehreren Stellen von Tränen verschwommen war, aber ich hoffte, dass der Inhalt trotzdem noch zu entziffern war.
Während Henrys Kutscher den Wagen für unsere Abreise nach Chawton bereitmachte, ging ich allein in demkleinen Garten hinter dem Haus zwischen den Bäumen unruhig auf und ab und tupfte mir hin und wieder die Augen mit dem Taschentuch. Ich hatte den ganzen Morgen hindurch geweint, und meine Tränen wollten einfach nicht aufhören zu fließen.
Als ich hörte, wie das Gartentor aufgestoßen wurde, wusste ich, dass er es sein musste. Während ich seine Schritte auf dem Rasen vernahm, holte ich tief Luft, um mich zu sammeln, und versuchte, mir die Augen zu trocknen. Mit großer Anstrengung wandte ich mich zu ihm um. Er stand kaum einen Meter entfernt von mir, umklammerte mit der Hand einen Brief, den ich für jenen hielt, den ich ihm gerade geschickt hatte. Sein Gesicht war aschfahl, und seine Stimme bebte.
»Du kannst unmöglich meinen, was du hier geschrieben hast.«
»Es tut mir leid«, sagte ich mit gebrochener Stimme, unterdrückte krampfhaft die Tränen, die mir über die Wangen zu fließen drohten.
»Jane, mach das nicht. Komm jetzt fort mit mir.«
»Wohin denn?«
»Wohin du willst.«
»Und wie sollen wir leben?«
»Immer einen Tag nach dem anderen.«
»Wie werden wir uns finanzieren?«
»Ich finde Arbeit. Ich könnte Pfarrer werden.«
»Du hattest doch niemals den Ehrgeiz, in den geistlichen Stand zu treten.«
»Ein Mann kann doch seinen Berufswunsch ändern. Es könnte gut sein, dass ich für diese Aufgabe geeignet bin.« Leise Bedenken standen in seinen Augen, die er nicht verhehlen konnte. Es war ihm klar, dass ich diesbemerkt hatte. Verzweifelt knüllte er den Brief zusammen und warf ihn auf den Boden. »Ich könnte einen anderen Beruf ergreifen.«
»Welchen denn? Was für eine Ausbildung hast du? Außer dass du gelernt hast, ein großes Anwesen zu besitzen und zu verwalten?«
»Das kann doch nützlich sein. Ich könnte als Gutsverwalter arbeiten.«
»Und den Besitz eines anderen führen?«
»Warum nicht?«, sagte er, wenn sich auch seine Wangen bei dem Gedanken röteten. Ich wusste, dass derlei Betätigung für einen Mann seiner Erziehung nur demütigend sein konnte.
»Und wo
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