Die geheimen Memoiren der Jane Austen - Roman
unermüdliche Pflegerin, durch all ihre Anstrengungen noch nicht selbst krank geworden ist. Über das, was ich ihr schulde, und über die ängstliche Besorgnis meiner ganzen geliebten Familie aus diesem Anlass kann ich nur weinen und zu Gott beten, sie mit seinem Segen zu überschütten.«
Ihr Bruder Henry erklärt uns, dass »sie zwei Monate lang all die verschiedenen Schmerzen, die Unbequemlichkeiten und die Langeweile mit mehr als nur Resignation ertragen hat, mit einer wahrhaftig flexiblen Fröhlichkeit … Sie besaß noch all ihre geistigen Fähigkeiten, ihr Gedächtnis, ihre Phantasie, ihr Temperament und ihre Zuneigung,warmherzig, klar und uneingeschränkt bis zum Letzten … Sie verschied am Freitag, dem 18. Juli 1817 in den Armen ihrer Schwester.« Sie war einundvierzig Jahre alt.
Am 24. Juli 1817 wurde Jane Austen im nördlichen Seitenschiff der Kathedrale von Winchester beigesetzt. Sie war die dritte und letzte Person, die in diesem Jahr in der Kathedrale bestattet wurde. Henry muss die Vorkehrungen dafür getroffen haben, da er den Bischof noch von seinem kürzlich erfolgten Examen zu seiner Ordination her kannte. Der lange, fromme Spruch auf ihrer schönen schwarzen Marmorgrabplatte (wahrscheinlich von ihren Brüdern verfasst, die auch Gedenkgedichte zu ihren Ehren schrieben), erwähnt ihren Vater, Hochwürden George Austen, den ehemaligen Pfarrer von Steventon, und lobt ihre Geduld im Erleiden ihrer Krankheit, spricht aber mit keiner Silbe von ihrem größten Talent, sondern konstatiert lediglich:
»Mit der Güte ihres Herzens, ihrer edelmütigen Natur
und ihren außergewöhnlichen geistigen Fertigkeiten
erwarb sie sich die liebevolle Achtung aller, die sie
kannten, und die herzlichste Liebe ihrer vertrautesten
Umgebung.«
Die Welt hat den Verlust dieser funkelnden Begabung schmerzlich verspürt. Immer neue Generationen haben ihre Bücher entdeckt und beklagt, dass sie, wie man bisher dachte, nur sechs vollständige Manuskripte hinterlassen hat. Die Entdeckung ihrer Memoiren sollte für Literaturhistoriker von unschätzbarem Wert sein, da dort viele Fragen zu ihrem Leben und Werk beantwortet werden, die im Zentrum so mancher Debatte stehen.
Einen seltsamen Aspekt muss ich hier noch erwähnen. Jane Austen hat diese Memoiren eindeutig mehrere Jahre nach den Ereignissen geschrieben, die darin geschildert werden. Deswegen lassen sich kleine Ungereimtheiten, falls es denn welche geben sollte, auf die unvollkommene Erinnerung der Autorin zurückführen. Die geneigte Leserschaft wird erfreut zur Kenntnis nehmen, dass nach sorgfältiger Durchsicht festgestellt werden konnte, dass beinahe alle Einzelheiten, die Datumsangaben, Zeiten, Personen und Orte historisch akkurat sind und mit dem übereinstimmen, was wir zuvor von Jane Austens Leben und Aufenthaltsorten wussten. Es gibt jedoch eine bemerkenswerte Ausnahme: Bis zum Zeitpunkt des Schreibens hat sich weder der Nachweis eines Mr. Frederick Ashford oder eines Sir Thomas Ashford mit Wohnsitz in Derbyshire finden lassen, noch eine Erwähnung eines Anwesens namens Pembroke Hall in dieser Grafschaft.
Das wirft verschiedene Fragen auf.
Wer war Mr. Ashford in Wirklichkeit? Die offensichtlichste Theorie, die von dem Wissen um Jane Austens Diskretion ausgeht, vermutet, dass sie den Namen ihres Geliebten und den seines Anwesens absichtlich änderte, um seine Privatsphäre zu schützen. Nur so konnte sie ihrem brennenden Wunsch nachkommen, ihre Geschichte zu erzählen, während sie gleichzeitig die Würde ihres Liebsten wahrte. Sie wusste, dass es ungefährlich war, den Rubinring zu behalten, den er ihr gegeben hatte und der später zusammen mit den Memoiren in der Seekiste gefunden wurde, da sein Name ja nicht darin eingraviert war.
Doch eine andere Theorie, die man nicht einfach von der Hand weisen kann, lässt sich am besten mit den Worten ihres jungen Neffen James Edward zusammenfassen, derseine Tante Jane an jenem strahlenden Morgen in Steventon feierlich fragte: »Meinst du damit, wenn ich nur an deine Geschichte glaube, wie du sie erzählt hast, dann ist das ebenso gut, als wäre sie wahr?«
Anhang
Anmerkungen der Autorin
Trotz aller Bemühungen, Sie vom Gegenteil zu überzeugen, ist dieses Buch frei erfunden. Die fiktiven Elemente im Roman sind jedoch fest in die bekannten Fakten aus Jane Austens Leben eingebettet. Alle Datumsangaben in der Geschichte, Janes Aufenthaltsorte zu diesen Zeiten, ebenso die Einzelheiten zu ihren Büchern, ihren
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