Die geheimen Memoiren der Jane Austen - Roman
verschwand im Haus. Ich wandte mich wieder Mr. Ashford zu. Wir blickten einander lange und tief in die Augen. Dann fielen wir uns in die Arme.
»Werden wir uns niemals wiedersehen?«, fragte er.
Ich spürte seine Tränen an meiner Wange. »Ich werde dich in meinen Gedanken sehen. Und in meinen Träumen.«
»Ich werde dich in meinem Herzen tragen, Jane. Jeden Tag, jede Stunde, den ganzen Rest meines Lebens.« Er wandte mir sein Gesicht zu und küsste mich lang und innig.
Ich wollte, dass dieser Kuss niemals enden würde. »Adieu, mein Liebster«, sagte ich.
»Adieu«, flüsterte er.
Ich wandte mich ab und rannte fort, und mein Herz war so voller Schmerz, dass ich mich fragte, wie es möglich sein konnte, dass es trotzdem weiterschlug.
Kapitel 27
Ich habe Mr. Ashford niemals wiedergesehen. Ich bin auch niemals wieder nach Derbyshire zurückgefahren oder habe sein Stadtviertel in Mayfair aufgesucht, wenn ich in London war. Ich weiß nur, dass er geheiratet hat. Ich nehme an, dass der Ruin seiner Familie durch diese Eheschließung abgewendet wurde, da keine Nachrichten über ihre finanzielle Bedrohung verbreitet wurden.
Henry, Cassandra und Eliza, die einzigen Familienmitglieder, die von meiner Beziehung zu Mr. Ashford wussten, teilten meine Meinung, dass es am besten wäre, die Geschichte mit niemandem sonst zu besprechen, sondern sich so zu verhalten, als sei sie niemals geschehen. Uns war klar, dass jede Erwähnung meiner Vertrautheit mit ihm – insbesondere die Gründe für die Beendigung unserer Beziehung – nur dazu beitragen würde, die damaligen finanziellen Schwierigkeiten der Ashfords ans Licht zu befördern, was ihn und seine Familie in einige Verlegenheit bringen könnte.
Was mich betraf, so wusste ich, dass mir die mitleidvollen Blicke und Kommentare zuwider wären, die mir sicherlich zuteilwürden, wenn unsere Freundschaft je publik würde. Jede oberflächliche Erzählung konnte nur mich oder ihn in einem ungünstigen Licht zeigen und wohl kaum die Tiefe der Gefühle hinter unserer Beziehung aufzeigen. Besser wäre es, beschloss ich, als alte Jungfer zu gelten, die auf keine einzige Liebe zurückblicken konnte, als eine tragische, törichte Gestalt zu sein, die es gewagthatte, weit über ihrem Stande zu lieben, und die verloren hatte.
Henry nahm gern die Ehre auf sich, derjenige gewesen zu sein, der für
Vernunft und Gefühl
einen Verlag gefunden und die erste Auflage finanziert hatte. Alethea, die nur wusste, dass ich flüchtig mit der Familie Churchill bekannt war, erkundigte sich einige Jahre später einmal bei mir nach ihnen, aber dieses Thema war schon bald wieder vergessen.
Nach der Veröffentlichung von
Stolz und Vorurteil
erhielt ich ein kurzes Schreiben von Mr. Ashford. Seine freundlichen Glückwünsche trieben mir Tränen in die Augen und ließen mein Herz schmerzen. Ich verbrannte den Brief, wenn ich mir auch heute wünsche, das nicht getan zu haben. Alles, was mir nun von ihm geblieben ist, sind meine Erinnerungen und mein Rubinring.
Und so ist die Geschichte von Mr. Ashford – meinem Mr. Ashford – in der Versenkung verschwunden. Es war besser so, dachte ich, sowohl für den Schutz aller Beteiligten, als auch für die Geschichte selbst, denn welchen Wert hat schon eine Geschichte von gebrochenen Herzen? Eine Liebesgeschichte, die man erzählen kann, muss doch ein glückliches Ende haben, oder nicht?
Das habe ich damals gedacht und seither viele Jahre lang.
Aber heute sehe ich es anders – jetzt, da ich miterlebt habe, wie meine Nichten und Neffen um mich herum groß geworden sind, alle Irrungen und Wirrungen des Lebens überwunden haben und zu feinen jungen Männern und Frauen herangewachsen sind, viele von ihnen auch verheiratet. Jetzt, da ich meine eigene, einzige wahre Liebe verloren habe, habe ich sie doch in meiner Arbeit gefunden. Nun habe ich miterleben dürfen, wie vier Bücher, meineliebsten Kinder, in die Welt hinausgegangen sind und dort größeren Erfolg hatten, als ich es je zu träumen gewagt hätte. Und heute bin ich zwar an manchen Tagen zu schwach, um spazieren zu gehen, aber immer noch stark genug, um eine Schreibfeder zu halten. Jetzt glaube ich, dass man in allem im Leben eine Art von Glück finden kann, in allem, das gut und angenehm ist, aber auch in dem, was traurig und schmerzlich ist.
Ich fürchte heute nicht mehr, dass Verfehlungen ans Licht kommen, seien es nun meine oder die anderer Menschen. Ich bin am Ende meines Lebens zu der Überzeugung
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