Die geheimen Memoiren der Jane Austen - Roman
würden wir leben, Liebster?«, fragte ich leise. »In einem gemieteten Haus mit gemieteten Möbeln?«
»Ich brauche zu meinem Glück keinen Palast«, antwortete er.
»Das gilt auch für mich. Aber du – du bist in ein privilegiertes Leben hineingeboren, auf das du nicht ohne weiteres verzichten kannst.«
»Ich kann es lernen. Wenn es bedeutet, dass wir zusammen sein können …«
»Pembroke Hall ist nun schon beinahe zweihundert Jahre im Besitz deiner Familie. Es ist Teil deiner selbst. Deine Kinder und Kindeskinder haben ein Recht darauf, und es ist deine Pflicht, es für diese künftigen Generationen zu erhalten. Du weißt, dass das stimmt. Wenn du es aufgeben würdest, dann würde es dir irgendwann leidtun, und du würdest es mir übelnehmen.«
»Nein. Jane …«
»Doch, das würdest du. Und selbst, wenn du es nicht tätest, dann denke nur an deine Familie. An die Schande.Wie könnte Sir Thomas je seinen Kopf wieder in der Gesellschaft hochhalten? Und was ist mit deiner Schwester? Du hast mir erzählt, wie sehr Sophie ihr Zuhause liebt. Nun wird sie nicht nur diesen Verlust zu verschmerzen haben, sondern sie hat auch keinerlei Mitgift, kein Einkommen mehr. Was wird aus ihnen werden? Wohin werden sie sich wenden?«
Mr. Ashford antwortete nicht sofort. Ich konnte von seinem schmerzverzerrten Gesicht ablesen, dass genau diese Fragen auch ihn gequält hatten. »Sophie könnte doch trotzdem noch heiraten, selbst ohne Mitgift«, meinte er schließlich. »Und wenn nicht, dann werde ich irgendwie für sie alle sorgen.«
»Das ist leichter gesagt als getan, mein Liebster. Ich weiß, wie es ist, sein Zuhause zu verlieren und ohne einen Penny dazustehen. Der Preis ist zu hoch. Ich kann nicht zulassen, dass du das machst.«
»Jane …«
»Isabellas Vermögen kann euch retten. Du hast keine andere Möglichkeit. Du weißt, dass ich recht habe. Ich muss jetzt die Charakterstärke für uns beide aufbringen. Du musst – du musst Isabella in vierzehn Tagen heiraten.«
Tiefste Bedrücktheit und verzweifelte Niederlage zeichneten sich auf seinen Zügen ab, und ihm schossen Tränen in die Augen. Seine Stimme bebte vor Zorn und ungeheurer Trauer, als er leise sprach: »Und den Rest meines Lebens elend sein.«
Unglücklich schweigend standen wir eine ganze Weile da, wischten beide unsere Tränen ab. Wortlos streifte ich mir den Rubinring vom Finger und streckte ihn ihm hin. Er schüttelte den Kopf und machte eine entschiedene Handbewegung. »Behalte ihn bitte.«
»Das kann ich nicht.«
»Ich möchte, dass du diesen Ring hast. Er war das Symbol für mein Versprechen. Ich werde dieses Versprechen nicht zurücknehmen.«
Ich steckte mir den Ring wieder an den Finger.
Er seufzte aus tiefstem Herzen und sagte: »Ich habe gesehen, dass die Kutsche für eure Abreise bereit ist. Wohin fahrt ihr denn in solcher Hast? Nach Hause, nach Chawton?«
»Ja.«
»Wo du dich, vermute ich, in deine Schriftstellerei stürzen wirst.«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich werde nie wieder schreiben.«
»Versprich mir, dass du das nicht so meinst.«
»Es würde mir kein Vergnügen mehr bereiten, von Liebe und Brautwerbung zu schreiben. Die Leser der Welt brauchen gewiss nicht noch eine weitere launige Geschichte von einem Mann und einer Frau, die einander kennenlernen und sich auf den ersten Blick verlieben.«
»Dann erzähl ihnen vom Gegenteil. Schenke ihnen einen Mann und eine Frau, die sich auf den ersten Blick hassen.«
»Sich hassen?«
»Sie lernen einander kennen und verachten einander sofort. Mit der Zeit, wenn ihre wahre Natur zum Vorschein kommt, beginnen sie dann, einander zu bewundern …«
»… und überwinden ihren Stolz …«
»… und ihre Vorurteile.« Er nahm meine Hände in die seinen, schaute mir wissend tief in die Augen. »Das Buch hast du bereits geschrieben, nicht wahr?
Erste Eindrücke
, so hast du es wohl genannt?«
»Ich habe tatsächlich vor vielen Jahren eine solche Geschichte verfasst, aber die muss verändert und gestrafft werden und … ich habe einfach nicht den Mut dazu.«
»Warum nicht?«
»Weil ich nun weiß, wie sie ausgehen muss.«
»Akzeptiere diesen Schluss nicht. Spiele Schicksal. Schenke uns einen weiteren witzigen und geistreichen Roman von Jane Austen, mit dem Ende, das
du
haben willst.«
»Jane!« Cassandra rief uns von der hinteren Haustür. Bedauern schwang in ihrer Stimme mit. »Der Kutscher ist bereit. Es ist schon spät. Wir müssen losfahren.«
»Ich komme sofort.«
Cassandra
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